Beispiel und Orientierung für die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr
Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Christian Schmidt
Beispiel und Orientierung für die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr
Grußwort des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister der Verteidigung Christian Schmidt anlässlich des 100. Geburtstages von Werner von Haeften am 09. Oktober 2008 in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin
Wir gedenken heute des Oberleutnants Werner von Haeften, der vor 100 Jahren hier in Berlin geboren wurde.
Beinahe 36 Jahre später fand er wegen seiner aktiven Beteiligung am Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 nur wenige Meter von hier entfernt im Innenhof des Bendlerblocks den Tod.
Werner von Haeften wuchs im protestantisch-preußischen Bildungsbürgermilieu auf. Berlin prägte seine Jugend. Dort ging er zur Schule, machte Abitur und studierte Rechtswissenschaften. In den 1930er Jahren arbeitete er als Syndikus für eine Hamburger Bank.
Am Zweiten Weltkrieg nahm er als Reserveoffizier von Anfang an teil. Den Angriff auf die Sowjetunion erlebte er als Offizier bei der Heeresgruppe Nord. Im Winter 1941/42 nahm er an der Belagerung von Leningrad teil.
Spätestens hier, bei dieser jedem Rechtsverständnis widersprechenden Einschließung einer Millionenstadt, deren Einwohner bewusst dem Hunger- und Kältetod preisgegeben wurden, kamen ihm ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Krieges. Gespräche mit dem Theologen Dietrich Bonhoeffer im heimatlichen Berlin verstärkten seine bestehenden Zweifel an Hitlers Krieg.
Nach einer zweiten schweren Verwundung im November 1943 wurde er in den Stab des Befehlshabers des Ersatzheeres versetzt. Dort teilte man Haeften dem Oberst i.G. Claus Schenk Graf von Stauffenberg als Ordonnanzoffizier zu.
Bald hatte er das Vertrauen Stauffenbergs gewonnen und fand über ihn Zugang zum militärischen Widerstand gegen Hitler und das nationalsozialistische Regime.
Am 20. Juli 1944 begleitete Haeften Stauffenberg zum Lagevortrag in das Führerhauptquartier „Wolfsschanze“. Beim Schärfen der Bombe, mit der Adolf Hitler getötet werden sollte, unterstützte er den durch seine Kriegsverletzungen an den Händen stark beeinträchtigten Stauffenberg.
Doch – wie wir alle wissen – der Versuch, dem verbrecherischen Regime der Nationalsozialisten und dem längst verlorenen Krieg ein schnelles Ende zu bereiten, scheiterte.
Noch am selben Abend wurde Oberleutnant Werner von Haeften im Innenhof des Bendlerblocks gemeinsam mit General Olbricht, Oberst von Stauffenberg und Oberst Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim ohne Prozess erschossen.
Nur ganz wenige haben, so wie Werner von Haeften, den Mut besessen, gegen das verbrecherische nationalsozialistische Regime aufzustehen.
Wie bei Anderen, führte auch ihn kein gerader Weg in diesen Widerstand. Zunächst begriff er seinen Einsatz im Krieg als selbstverständliche Pflicht, der er als Deutscher und Offizier nachkam. Doch das persönliche Erleben des deutschen Vernichtungskrieges im Osten und die Kenntnis über Verbrechen hinter der Front öffneten ihm die Augen. Dies bewog ihn zur Umkehr, zum Nachdenken über Menschenwürde, Recht und Freiheit als grundlegende Werte menschlicher Existenz. Sich dem Widerstand gegen das verbrecherische Regime anzuschließen, war für ihn dann nur noch ein kleiner, aber entscheidender Schritt.
Werner von Haeften handelte, weil er weiteren Gehorsam nicht mit seinem Gewissen und seiner Ehre vereinbaren konnte. Für die Beteiligung am Widerstand hat er mit seinem Leben gezahlt.
Der militärische Widerstand des 20. Juli 1944 war der Versuch verantwortungsbewusster und ihrem Gewissen verpflichteter Offiziere, dem Krieg, der sich ihnen als Rechtfertigung und Deckmantel der einhergehenden Verbrechen darstellte, ein Ende zu setzen.
Die Männer des 20. Juli 1944 waren "Patrioten". Sie wollten den Diktator und sein verbrecherisches Regime stürzen. Die Menschen sollten wieder in Würde leben können. Es galt Recht und Freiheit des deutschen Volkes wiederherzustellen. Die Beteiligten des Widerstands wollten Deutschland die Rückkehr in die Gemeinschaft der zivilisierten Völker ermöglichen.
Der militärische Widerstand der Frauen und Männer des 20. Juli 1944 gegen das nationalsozialistische Regime ist daher aus gutem Grund eine der drei Säulen des Traditionsverständnisses und der Traditionspflege der Bundeswehr.
Mehrere Kasernen sind bereits nach Soldaten des Widerstands benannt worden. Im Rahmen der politischen Bildung der Bundeswehr hat die Erinnerung an ihr Handeln und die Beschäftigung mit dem Widerstand ihren festen Platz.
Wir werden es unseren Soldatinnen und Soldaten auch in Zukunft als vorbildlich darlegen, dass es Offiziere gegeben hat, die ihre Pflichten nicht allein innerhalb eines Systems von Befehl und Gehorsam gesehen haben.
Männer wie Oberleutnant Werner von Haeften haben sich nicht auf das militärische Handwerk beschränkt.
Ihr Gewissen und eine feste Verwurzelung im christlichen Glauben, haben ihnen die Grenzen des Gehorsams aufgezeigt. Sie sind deshalb für die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr Beispiel und geben ihnen Orientierung.
Eine solche Tradition ist Voraussetzung für das, was Clausewitz als Ziel jedes militärischen Einsatzes definiert hat: für einen besseren Frieden.
Die Bundeswehr ist heute als Bestandteil der staatlichen Exekutive unmittelbar an das Grundgesetz und die ihm zugrundeliegenden Werte und Normen gebunden. Ihre Aufgaben leiten sich aus ihrem verfassungsgemäßen Auftrag sowie den Werten, Zielen und Interessen der deutschen Sicherheits- und Verteidigungspolitik ab.
Nach diesen Grundsätzen handeln unsere Soldatinnen und Soldaten in Mazar-e Sharif, in Fürstenfeldbruck, in Prizren oder auch in Berlin.
Nach unserem Verständnis ist dies der Kern der Inneren Führung und somit auch das Vermächtnis der Frauen und Männer des in Erinnerung bleibenden militärischen Widerstandes.
Nicht nur die Bundeswehr als Träger eines solchen Vermächtnisses – unsere Gesellschaft insgesamt muss sich mit den Lebensentscheidungen Werner von Haeftens und seinen Mitstreitern in Bezug setzen, weil nach Eberhard Bethges Satz: „Das Maß der Rechenschaft über das Gestern das Maß an Stabilität für das Morgen bestimmt.“
Wir gedenken deshalb heute Werner von Haeften und seiner ermordeten Kameraden und Freunde.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Christian Schmidt
Beispiel und Orientierung für die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr
Grußwort des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister der Verteidigung Christian Schmidt anlässlich des 100. Geburtstages von Werner von Haeften am 09. Oktober 2008 in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin
Wir gedenken heute des Oberleutnants Werner von Haeften, der vor 100 Jahren hier in Berlin geboren wurde.
Beinahe 36 Jahre später fand er wegen seiner aktiven Beteiligung am Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 nur wenige Meter von hier entfernt im Innenhof des Bendlerblocks den Tod.
Werner von Haeften wuchs im protestantisch-preußischen Bildungsbürgermilieu auf. Berlin prägte seine Jugend. Dort ging er zur Schule, machte Abitur und studierte Rechtswissenschaften. In den 1930er Jahren arbeitete er als Syndikus für eine Hamburger Bank.
Am Zweiten Weltkrieg nahm er als Reserveoffizier von Anfang an teil. Den Angriff auf die Sowjetunion erlebte er als Offizier bei der Heeresgruppe Nord. Im Winter 1941/42 nahm er an der Belagerung von Leningrad teil.
Spätestens hier, bei dieser jedem Rechtsverständnis widersprechenden Einschließung einer Millionenstadt, deren Einwohner bewusst dem Hunger- und Kältetod preisgegeben wurden, kamen ihm ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Krieges. Gespräche mit dem Theologen Dietrich Bonhoeffer im heimatlichen Berlin verstärkten seine bestehenden Zweifel an Hitlers Krieg.
Nach einer zweiten schweren Verwundung im November 1943 wurde er in den Stab des Befehlshabers des Ersatzheeres versetzt. Dort teilte man Haeften dem Oberst i.G. Claus Schenk Graf von Stauffenberg als Ordonnanzoffizier zu.
Bald hatte er das Vertrauen Stauffenbergs gewonnen und fand über ihn Zugang zum militärischen Widerstand gegen Hitler und das nationalsozialistische Regime.
Am 20. Juli 1944 begleitete Haeften Stauffenberg zum Lagevortrag in das Führerhauptquartier „Wolfsschanze“. Beim Schärfen der Bombe, mit der Adolf Hitler getötet werden sollte, unterstützte er den durch seine Kriegsverletzungen an den Händen stark beeinträchtigten Stauffenberg.
Doch – wie wir alle wissen – der Versuch, dem verbrecherischen Regime der Nationalsozialisten und dem längst verlorenen Krieg ein schnelles Ende zu bereiten, scheiterte.
Noch am selben Abend wurde Oberleutnant Werner von Haeften im Innenhof des Bendlerblocks gemeinsam mit General Olbricht, Oberst von Stauffenberg und Oberst Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim ohne Prozess erschossen.
Nur ganz wenige haben, so wie Werner von Haeften, den Mut besessen, gegen das verbrecherische nationalsozialistische Regime aufzustehen.
Wie bei Anderen, führte auch ihn kein gerader Weg in diesen Widerstand. Zunächst begriff er seinen Einsatz im Krieg als selbstverständliche Pflicht, der er als Deutscher und Offizier nachkam. Doch das persönliche Erleben des deutschen Vernichtungskrieges im Osten und die Kenntnis über Verbrechen hinter der Front öffneten ihm die Augen. Dies bewog ihn zur Umkehr, zum Nachdenken über Menschenwürde, Recht und Freiheit als grundlegende Werte menschlicher Existenz. Sich dem Widerstand gegen das verbrecherische Regime anzuschließen, war für ihn dann nur noch ein kleiner, aber entscheidender Schritt.
Werner von Haeften handelte, weil er weiteren Gehorsam nicht mit seinem Gewissen und seiner Ehre vereinbaren konnte. Für die Beteiligung am Widerstand hat er mit seinem Leben gezahlt.
Der militärische Widerstand des 20. Juli 1944 war der Versuch verantwortungsbewusster und ihrem Gewissen verpflichteter Offiziere, dem Krieg, der sich ihnen als Rechtfertigung und Deckmantel der einhergehenden Verbrechen darstellte, ein Ende zu setzen.
Die Männer des 20. Juli 1944 waren "Patrioten". Sie wollten den Diktator und sein verbrecherisches Regime stürzen. Die Menschen sollten wieder in Würde leben können. Es galt Recht und Freiheit des deutschen Volkes wiederherzustellen. Die Beteiligten des Widerstands wollten Deutschland die Rückkehr in die Gemeinschaft der zivilisierten Völker ermöglichen.
Der militärische Widerstand der Frauen und Männer des 20. Juli 1944 gegen das nationalsozialistische Regime ist daher aus gutem Grund eine der drei Säulen des Traditionsverständnisses und der Traditionspflege der Bundeswehr.
Mehrere Kasernen sind bereits nach Soldaten des Widerstands benannt worden. Im Rahmen der politischen Bildung der Bundeswehr hat die Erinnerung an ihr Handeln und die Beschäftigung mit dem Widerstand ihren festen Platz.
Wir werden es unseren Soldatinnen und Soldaten auch in Zukunft als vorbildlich darlegen, dass es Offiziere gegeben hat, die ihre Pflichten nicht allein innerhalb eines Systems von Befehl und Gehorsam gesehen haben.
Männer wie Oberleutnant Werner von Haeften haben sich nicht auf das militärische Handwerk beschränkt.
Ihr Gewissen und eine feste Verwurzelung im christlichen Glauben, haben ihnen die Grenzen des Gehorsams aufgezeigt. Sie sind deshalb für die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr Beispiel und geben ihnen Orientierung.
Eine solche Tradition ist Voraussetzung für das, was Clausewitz als Ziel jedes militärischen Einsatzes definiert hat: für einen besseren Frieden.
Die Bundeswehr ist heute als Bestandteil der staatlichen Exekutive unmittelbar an das Grundgesetz und die ihm zugrundeliegenden Werte und Normen gebunden. Ihre Aufgaben leiten sich aus ihrem verfassungsgemäßen Auftrag sowie den Werten, Zielen und Interessen der deutschen Sicherheits- und Verteidigungspolitik ab.
Nach diesen Grundsätzen handeln unsere Soldatinnen und Soldaten in Mazar-e Sharif, in Fürstenfeldbruck, in Prizren oder auch in Berlin.
Nach unserem Verständnis ist dies der Kern der Inneren Führung und somit auch das Vermächtnis der Frauen und Männer des in Erinnerung bleibenden militärischen Widerstandes.
Nicht nur die Bundeswehr als Träger eines solchen Vermächtnisses – unsere Gesellschaft insgesamt muss sich mit den Lebensentscheidungen Werner von Haeftens und seinen Mitstreitern in Bezug setzen, weil nach Eberhard Bethges Satz: „Das Maß der Rechenschaft über das Gestern das Maß an Stabilität für das Morgen bestimmt.“
Wir gedenken deshalb heute Werner von Haeften und seiner ermordeten Kameraden und Freunde.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.