Das Verlangen nach Freiheit

Lore Maria Peschel-Gutzeit

Das Verlangen nach Freiheit

Ansprache der Senatorin für Justiz des Landes Berlin Dr. Lore Maria Peschel-Gutzeit am 19. Juli 1997 im Berliner Rathaus

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

im Namen des Regierenden Bürgermeisters von Berlin heiße ich Sie sehr herzlich willkommen.

Wir sind zusammengekommen, um uns einen Tag zu vergegenwärtigen, der noch heute, nach über fünfzig Jahren, fest in unserer aller Gedächtnis verankert ist, weil sich an jenem Tag, dem 20. Juli 1944, das Gewissen gegen Tyrannei und Diktatur erhob und sich Menschen fanden, die nicht mehr schweigen konnten. Mehr als das, die gegen Unrecht und Terror aufzustehen wagten und der Welt wie der Nachwelt zeigten, dass es in jenem Deutschland der dunkelsten Jahre auch Menschen gab, die wussten, was Gewissen, Tugend und Moral bedeuten.

Die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts kennt nur wenige Daten, auf die die Nachgeborenen wirklich stolz sein können. Der 17. Juni 1953 ist ein solcher Augenblick, genau wie der 9. November 1989. Und ohne Zweifel gehört der 20. Juli 1944 ebenfalls in die kurze Reihe der Tage, an die wir mit Hochachtung und Ehrfurcht denken, obwohl er so tragisch endete.

Alle drei Momente verbindet das Gleiche: nämlich den Wunsch, die Würde des Menschen zu schützen, das Verlangen nach Freiheit und die Tatsache, dass es Menschen gab, die schicksaIsbereit waren, die bereit waren, Neues, Unerhörtes zu wagen.

Letzteres zählt für die Männer und Frauen des 20. Juli besonders, weil ihre Opposition ein „Widerstand ohne Volk“ war, wie ein bekannter Historiker einmal treffend bemerkte. Unter dieser psychischen Last muss es besonders schwer gewesen sein, sich zum Handeln durchzuringen. Aber es musste sein, weil das Gewissen keinen Aufschub mehr zuließ und forderte, Hitler endlich ein Ende zu machen.

Diesen Einsatz, diesen Mut werden wir niemals vergessen. Er ist uns Ansporn, uns täglich für unsere Demokratie einzusetzen und Unfreiheit wie Intoleranz auf unserem Kontinent endgültig zu besiegen.

In diesem Sinne heiße ich Sie noch einmal herzlich willkommen.