Streben nach Recht, Anstand und Freiheit

Reinhard Goerdeler

Streben nach Recht, Anstand und Freiheit

Grußwort von Dr. Reinhard Goerdeler, Vorstandsmitglied der Stiftung „Hilfswerk 20. Juli 1944“, am 20. Juli 1994 im Hotel Berlin, Berlin

Herr Bundespräsident, Frau Bundestagspräsidentin,

Ihnen und allen hier Anwesenden gilt namens von Kuratorium und Vorstand unserer Stiftung ein herzlicher Willkommensgruß. Die zahlreichen Ehrengäste darf ich um Verständnis bitten, wenn ich sie nicht alle begrüße, sondern wenn ich einer Übung folge, die sich aus dem jährlichen mittäglichen Zusammensein am 20. Juli ergeben hat. So begrüße ich stellvertretend für alle aus dem Kreise der unmittelbaren Angehörigen: Nina Gräfin Stauffenberg und Frau Rosemarie Reichwein – und von den seinerzeit Beteiligten Hans Herwarth von Bittenfeld, der vor wenigen Tagen die Schwelle der 90 überschritten hat.

Das Mittagessen unserer Stiftung am 20. Juli hat Tradition. Der Kreis der eingeladenen Teilnehmer hat sich in den letzten zehn Jahren über die von unserer Stiftung betreuten Angehörigen hinaus erweitert, vor allem seit die Gedenkfeiern hier in Berlin zusammengeführt wurden – dank einer Initiative Richard v. Weizsäckers; wir begrüßen ihn heute herzlich. Zu dem erweiterten Kreis zählen seither auch die Mitglieder der beiden anderen großen Verfolgtenverbände; stellvertretend seien heute Frau Dr. Annemarie Renger und Dr. Léon Boutbien genannt und freundlichst begrüßt.

Die große Zahl der Ehrengäste, die unserer Einladung gefolgt sind, erfüllt uns mit Dank. Sie repräsentieren die höchsten Verfassungsorgane unserer Bundesrepublik oder vertreten von uns gewählte demokratische Parteien. Ihre Anwesenheit, meine Damen und Herren, vor allem Ihre, Herr Bundespräsident, zusammen mit Ihrer Frau so bald nach Ihrer Amtsübernahme, unterstreicht, dass sich unsere Bundesrepublik in engem Zusammenhang sehen kann mit dem Streben nach Recht, Anstand und Freiheit. Wir konnten aufbauen auf den Opfern, die in der Erhebung gegen den Unrechtsstaat erbracht wurden; vielleicht können nicht nur die Witwen und Kinder, Geschwister und Enkel stolz sein auf die Toten, sondern doch auch alle Deutschen?

In diesem Sinne danken wir unseren Ehrengästen, dass sie hier unter uns und mit uns sind. Dank darf ich bei dieser kurzen Begrüßung – alter Übung folgend – den Geistlichen hier aussprechen, die heute früh in der gemeinsamen Abendmahls- und Kommunionfeier in Plötzensee gesprochen haben – Professor Bethge für seine Predigt über die Märtyrer, und auch Pater Karl Meyer für seine Worte; dieser Gottesdienst ist für viele in unserem Kreise unverzichtbar geworden.

Meine Damen und Herren, wenn dieses Mittagessen zu Ihrer aller Zufriedenheit abläuft, so würde uns das freuen. Wenn Sie einen kleinen Dankes- und Schlussapplaus für die stille Organisation im Hintergrund zur Verfügung haben, so ist das mehr recht als billig: Wir danken Frau Käthe Hilgenstock, die die Vorbereitung dieses 50jährigen Gedenktreffens noch einmal zu ihrer Aufgabe gemacht hat.

Ich danke Ihnen – und nächstes Jahr wieder in Berlin!