Totengedenken

bei der Feierstunde der Bundesregierung und der Stiftung 20. Juli 1944 am 20. Juli 2024 um 11:00 Uhr im Ehrenhof des Bendlerblocks, Berlin anlässlich des 80. Jahrestages des 20. Juli 1944


- Valerie Riedesel Freifrau zu Eisenbach, Vorsitzende des Kuratoriums der Stiftung 20. Juli 1944 -



Wir gedenken unserer Toten!


Heute vor 80 Jahren starben in den Nachtstunden im Bendlerblock fünf deutsche Offiziere, die versucht hatten, gemeinsam mit anderen, Deutschland von Hitler und der Terrorherrschaft des Nationalsozialismus zu befreien.


Sie waren am 20. Juli 1944 die ersten, die sterben mussten:


Ludwig Beck
Friedrich Olbricht
Claus Schenk Graf von Stauffenberg
Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim
Werner von Haeften


Ihre Namen ehren wir auf der Gedenktafel hier im Ehrenhof der Stauffenbergstraße.


Sie stehen stellvertretend für alle, die am Umsturzversuch des 20. Juli 1944 gegen den Nationalsozialismus beteiligt waren.


In dieser Stunde gedenken wir aller Menschen, die sich seit 1933 der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft widersetzt haben. Während die große Mehrheit der Deutschen Unrecht und Verbrechen nicht wahrhaben wollte, setzten sie Zeichen des Muts, des Anstands und der Menschlichkeit.


Sie waren eine kleine Minderheit, aber sie kamen aus allen Teilen der Gesellschaft. Es waren Frauen und Männer der Kirchen, der Arbeiterschaft und der Gewerkschaften und aus den demokratischen Parteien der Weimarer Republik. Es waren Unternehmer, Beamte und Angestellte, Studierende und Professoren, Soldaten unterschiedlichster Dienstgrade. Es waren Menschen, die zwischen richtig und falsch unterscheiden wollten.


Sie gingen einen Weg der inneren Prüfung und manchmal auch der Umkehr. Sie handelten in unterschiedlicher Weise, im Rahmen ihrer Möglichkeiten und Überzeugung. Aus Glaubenstiefe, aus Nächstenliebe und Achtung vor der Würde des Menschen boten sie Verfolgten Hilfe und Schutz.


Auf Flugblättern prangerten sie das Unrecht an, das in deutschem Namen begangen wurde. In geheimen Zusammenkünften entwarfen sie eine Neuordnung für einen künftigen deutschen Rechtsstaat und suchten Verbündete im Ausland. Sie alle riskierten ihr Leben, ihre Freiheit, Glück und Zukunft ihrer Familien.


Wir denken an die Menschen, die in Konzentrationslagern und Gefängnissen Folter und Einsamkeit durchleiden mussten und die für ihr mutiges Handeln wie Verbrecher ermordet wurden. Wir denken an jene, die den Freitod wählten, um keine Gefährten zu verraten.


Wir gedenken auch derer, die sich weigerten, in Hitlers verbrecherischen Krieg zu ziehen und dafür mit dem Tode bestraft wurden.


Wir kennen etliche Namen, doch wie viele haben wir vergessen oder nie wahrgenommen. So denken wir heute mit denen, die wir nennen, auch an die vielen anderen, von denen wir kaum etwas wissen. Stellvertretend rufe ich in Erinnerung:


Günther Smend
Heinz Bello
Justus Delbrück
Carl Heinrich von Stülpnagel
Julius Fučík
Edith Stein
Nikolaus von Halem
Cato Bontjes van Beek
Bernhard Letterhaus
Carlo Mierendorff
Carl von Ossietzky
Hans Oster


Wir denken heute auch an ihre Ehefrauen, an junge Verlobte, Eltern und Kinder, die verwaist zurückblieben. Sie gaben ihnen die Kraft zu handeln, ihnen gehörten ihre letzten Gedanken.


Wir gedenken der Opfer des nationalsozialistischen Völkermords. Wir denken an Millionen Juden und Jüdinnen, die in den Vernichtungslagern ermordet wurden, an Sinti und Roma und an alle, die dem grenzenlosen Terror und menschenverachtenden Rassenwahn zum Opfer fielen.


Wir denken heute an 12 Jahre schreckliches Leiden und Tod, beispiellos in ihrer Dimension.


Aber auch heute überziehen unverantwortliche Machthaber und terroristische Gruppen Länder mit Krieg und Gewalt gegen Menschen und Völker.


Umso lebendiger bleibt daher die Mahnung unserer Toten, Gewalt und Unrecht zeitig zu widerstehen.


Umso lebendiger bleibt daher unsere Verpflichtung, für die Freiheit des Gewissens und die Freiheit der Meinung Andersdenkender einzutreten und diesen mit Respekt zu begegnen.


Umso lebendiger bleibt daher unser Auftrag, uns für die Würde des Menschen einzusetzen.


Eine Mahnung an uns Deutsche, aber auch an Europa und an die Welt!


Wir denken an unsere Toten in Dankbarkeit und Stille.

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