„Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit“ – Zum Umgang nach 1945 mit Widerstand und Verfolgung im Nationalsozialismus.

Gedenkstätte Deutscher Widerstand

Hildegard Hamm-Brücher

„Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit“ – Zum Umgang nach 1945 mit Widerstand und Verfolgung im Nationalsozialismus. Streifzüge und Stationen durch die Geschichte der Nach-Hitler-Zeit

Vortrag von Dr. Hildegard Hamm-Brücher am 19. Juli 2003 in der St. Matthäus- Kirche, Berlin aus Anlass des 59. Jahrestages des 20. Juli 1944

Einleitung: Fünf Botschaften zur Einstimmung

„Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit – entscheidet Euch, eh’ es zu spät ist“, so heißt es im Fünften Flugblatt der „Weißen Rose“, und im Vierten Flugblatt wird dieser Appell präzisiert: „Aus Liebe zu kommenden Generationen muss nach Beendigung des Krieges ein Exempel statuiert werden, daß niemand auch nur die geringste Lust je verspüren sollte, Ähnliches aufs neue zu versuchen.“

Ähnlich Dietrich Bonhoeffer. In einem seiner letzten Briefe aus dem Zuchthaus Tegel im März 1945 heißt es: „Nur durch die Niederlage können wir Sühne leisten für die furchtbaren Verbrechen, die wir gegen Europa und die Welt begangen haben.“

Etwa zur gleichen Zeit hinterließ der Geowissenschaftler Albrecht Haushofer in einem seiner Moabiter Sonette, das er „Untergang“ überschrieben hatte, folgende herausfordernde Bilanz:

„Daß dieses Volk die Siege nicht ertrug –

die Mühlen Gottes haben schnell gemahlen.

Wie furchtbar muß es nun den Rausch bezahlen.

Es war so hart, als es die andern schlug,

so taub für seiner Opfer Todesklagen –

wie mag es nun das Opfer-Sein ertragen...“

Und schließlich möchte ich noch eine weitere Herausforderung zitieren: Sie stammt aus der Feder Georg Ch. Lichtenbergs und beschreibt vor fast genau 200 Jahren die Sisyphusarbeit eines politischen Neuaufbaus wie folgt: „Eine Republik zu bauen aus den Trümmern einer niedergerissenen Monarchie (resp. Diktatur) ist freilich ein schweres Problem. Es geht nicht, bis daß erst jeder Stein neubehauen ist – und dazu gehört Zeit.“

Diese fünf Botschaften habe ich meinem Gedenkvortrag am Vorabend des 20. Juli 2003 vorangestellt, weil ich sie als eine Art Ansage verstehe für die nun folgenden Streifzüge durch die politische Geschichte der Nach-Hitler-Zeit. Es sind Streifzüge – keine umfassenden Explorationen –, und sie kreisen um die Frage, ob und wie wir es nach 1945 mit dem Vermächtnis des Widerstands und der Erinnerung an die ungezählten Opfer der NS-Tyrannei gehalten haben.

Auf meinen Streifzügen werde ich an sieben Stationen Halt machen, um mich aus eigener Erfahrung und Reflektion zurück zu erinnern, ob uns das „Exempel statuieren“ und das „Sühne leisten“ gelungen ist, wie wir das „Opfer-sein“ ertragen und ob wir – „aus Liebe zu kommenden Generationen“ – die Trümmersteine unserer zusammengebrochenen materiellen und ideellen Existenz Stück für Stück neu behauen haben.

Die meine Streifzüge durchziehende Frage lautet also: Haben wir die Botschaften, die uns die Opfer Hitlerscher Verfolgung hinterlassen haben, aufgenommen? Haben wir sie uns, nicht nur an Gedenktagen, zu Eigen gemacht? Meine Antworten darauf sind natürlich nicht erschöpfend und können nicht mehr sein als ein vorläufiger Beitrag.

Wer bin ich, die am Vorabend des 20. Juli 2003 solcherlei politisch heiklen Betrachtungen anstellen und, statt von den damaligen Ereignissen, von denen nach 1945 sprechen möchte, berichten von der nun 58 Jahre währenden Nach-Hitler-Zeit und ihrem Umgang mit dem moralisch-politischen Vermächtnis der Opfer dieser grausamen und grauenhaften Diktatur.

Ich möchte dies wagen, obgleich ich weder Historikerin noch Schriftstellerin bin, vielmehr das, was man „ein Kind dieser Zeit“ nennt, allerdings ein „gebranntes“ Kind, das beide Epochen sehr bewusst erlebt und als „Zeitzeugin“ daran teilgehabt hat. Und weil die Zeitzeugen meiner Jahrgänge immer weniger werden, möchte ich hier und heute noch einmal Zeugnis ablegen vom erlebten Geschehen in der Zeit vor und nach 1945.

Erste Station, quasi als Vorspann: Leben in der NS-Zeit

Die 12 Jahre, die das „Tausendjährige Reich“ währte, habe ich (Jahrgang 1921) als junges Mädchen von A bis Z – vom Anfang bis zum Zusammenbruch – miterlebt und miterlitten, ohne in irgendeiner Form Widerstand geleistet zu haben. Mit 11 Jahren war ich Waise. Dennoch haben mich die Prägung durch ein liberales Elternhaus und meine christliche Erziehung vor jedweder braunen Versuchung bewahrt. Während des Krieges habe ich zum weiteren Freundeskreis der erst später so genannten „Weißen Rose“ gehört und dank eines vorbildlich aufrechten Doktorvaters, der mich vor Gestapo, Verhören, vielleicht Schlimmeren bewahrt hat, äußerlich unbeschädigt überlebt.

In dieser Zeit habe ich alle Schattierungen von Hitler-Deutschen kennen gelernt, vom fanatischen und strammen Nazi über den gehorsamen Mitmacher, den feigen Mitläufer, den Mitschreier und stummen Wegseher bis zum vorsichtigen und unerschrockenen Anti-Nazi, den mutigen Bekenner und bis zum Opfertod bereiten Widerständler. Vergessen möchte ich auch nicht die Aufrechten und Anständigen, die Hilfsbereiten und Dissidenten, wie eben meinen Doktorvater, der sich nicht scheute, nach den Nürnberger Gesetzen aus „rassischen Gründen“ vom Studium ausgeschlossenen Studenten in seinem Institut einen Studienplatz zu verschaffen, oder jene mitmenschlichen Deutschen, die es wagten, Zwangsarbeitern oder Kriegsgefangenen ein Stück Brot oder eine Zigarette zuzustecken oder Verfolgte zu verstecken. Es ist gut und wichtig, auch von dieser Gruppe anständiger und couragierter Deutscher zu berichten und ihrer zu gedenken.

Ihre Zahl dürfen wir jedoch nicht überschätzen, und es ist uns m.E. nicht erlaubt zu behaupten, es habe in der Nazizeit eine Art „Volksopposition“ gegeben, worüber Historiker gelegentlich streiten. Zwar gab es auch keine 100 Prozent „williger Vollstrecker“ und keine Kollektivschuld, aber es gab auch keine Kollektivunschuld. Selbst wenn man alle Arten von damals sogenannten „Kritikastern“ und „Miesmachern“ zusammenzählt unter den damals obwaltenden Bedingungen und angesichts der fast bis zuletzt weit überwiegenden Zahl von überzeugten Nazis (nicht zu vergessen das gefürchtete Spitzelsystem), zu keiner Zeit hat es so etwas wie eine wirksame Opposition von unten gegeben, von einem Aufstand der Bürger gegen die braune Schreckensherrschaft ganz zu schweigen.

In diesem Zusammenhang erinnere ich mich noch an einen anderen, weit verbreiteten Typ von „Volksgenossen“, die das verkörperten, was die jüdische Schriftstellerin Gerty Spies (die drei Jahre Theresienstadt erlitten und überlebt hat) als der „Unschuldigen Schuld“ bezeichnet und wie folgt charakterisiert hat: „Wo beginnt des Unschuldigen Schuld? Sie beginnt da, wo der gelassen, mit hängenden Schultern daneben steht, den Mantel zuknöpft, die Zigarette anzündet und spricht: ‚Da kann man nichts machen’. Seht, da beginnt der Unschuldigen Schuld.“

Und von solcherart unschuldig Schuldigen gab es viele – viel zu viele. Ich gehörte auch dazu!

Theodor Heuss, unser erster Bundespräsident, hat zu Recht von der Sünde des Wegsehens gesprochen. Diese grassierte allerdings nicht nur in der NS-Zeit, sondern sie grassiert zu jeder Zeit, auch in unseren Tagen. Denken wir nur an das Wegsehen bei gewalttätigen Überfällen, bei rassistischen und fremdenfeindlichen Umtrieben, oder an die alltägliche Gewalt unter Jugendlichen und gegen Kinder. Wir sind allzumal Sünder des Wegsehens! Aber jeder kann etwas dagegen tun – und wenn es jede Woche einmal ist ...

Doch noch einmal zurück zur ersten Station: Persönlich habe ich das ganze Elend, die nicht enden wollenden Schikanen, – die täglich und nächtlich wachsenden Ängste und den hilflosen Jammer jüdischer Familienangehöriger miterlebt, – ihre Drangsalierung und Verschleppung, – ihre Flucht oder ihren Freitod. Desgleichen die Bürden, die die in Fabriken in Tag- und Nachtschichten schuftenden, meist zwangsrekrutierten deutschen und ausländischen Frauen zu tragen hatten, – die vaterlos und hungrig heranwachsenden Kinder, – die Bombennächte und die Schalmeienklänge der Entwarnung, den Luftschutzdienst in öffentlichen Gebäuden mit Eimerketten, Akten herausschleppen und krachenden Balken. Bei all dem florierte bis zum Untergang der unerschütterliche (Irr-)Glaube an den „Endsieg“ und die allmächtige Überlegenheit der zur Herrschaft berufenen arischen Rasse, mit der die Verachtung, Ächtung und Ausrottung aller „Artfremden“, Andersartigen und Andersdenkenden gerechtfertigt wurde. („Wollt ihr den totalen Krieg?“)

Nicht zuletzt war es jedoch die totale persönliche Unfreiheit, waren es die Denk-, Rede- und Glaubensverbote, der Tod von Freunden und Kommilitonen auf dem Schafott, die mich in meine persönliche Emanzipation trieben.

Ja, angesichts dieses Erlebens im Vorhof einer Hölle auf Erden reifte mein Vorsatz heran, dass ich, falls ich überleben sollte, dazu beitragen wollte, dass sich so etwas in unserem Land nie wieder – auch nicht in Ansätzen – wiederholen könne, dass die Verursacher dieser Katastrophen zur Rechenschaft gezogen, den Opfern – soweit als möglich – geholfen, ihre Existenz gesichert und ihre Menschenwürde hinfort garantiert werden müssten.

Zweite Station: Das erste Jahrzehnt der Nach-Hitler-Zeit

Nach Kriegsende, nach Untergang und Befreiung, war ich erst einmal überglücklich und begierig, alles bis dahin Verbotene (Literatur und Kunst, Theater und andere Meinungen) zu genießen. Wie die meisten Deutschen wusste ich von grauenhaften Verbrechen, die im Namen der Deutschen zumeist von Deutschen begangen worden waren, aber wir kannten nicht ihr Ausmaß. Ich ahnte etwas von dem unglaublichen Mut der Widerstandskämpfer, von ihrem aufrechten Gang und ihrer Verantwortungsbereitschaft vor Gott und den Menschen, aber ich kannte kaum Namen und keine Einzelschicksale. Dennoch war mir klar: dies alles musste, nun da es vorbei war, aufgearbeitet und zur Grundlage einer radikalen Erneuerung weitergedacht und konkretisiert werden: Die finsterste Epoche unserer Geschichte hatte uns ein doppeltes Vermächtnis hinterlassen. Einmal, nachhaltige Konsequenzen aus dem Versagen und unserer Mitschuld zu ziehen und zum anderen, das Vermächtnis der Opfer zu bewahren und beides nicht zu vergessen oder zu bagatellisieren.

So habe ich mir die Nach-Hitler-Zeit erträumt, und dafür habe ich mich seit jenem 8. Mai 1945, als es endlich so weit war, mit allen Fasern meines Herzens und meines Kopfes eingesetzt. Ich erhoffte die Einsicht aller Deutschen auf Anerkenntnis der Mitschuld, und ich glaubte an die Chance einer politischen und moralischen Katharsis, an eine moralische Leitlinie zur Gründung eines anderen, eines humanen und rechtsstaatlichen Deutschlands und an die geistige Besinnung des Volkes, das sich einst das Volk der Dichter und Denker nennen durfte. – Auch hoffte ich, dass das parteien- und schichtenübergreifende Kooperations-Modell, das uns die Widerstandskämpfer hinterlassen hatten, nun auch im Leben und Zusammenleben unseres Volkes Früchte tragen und zu einer Art „Allianz der Einsichtigen“ führen würde, kurz: dass sich das Bibelwort, das Böse durch das Gute zu überwinden, erfüllen würde, oder nüchterner formuliert: das Falsche durch das Richtige.

Meines Erachtens gab es nur einen Ausweg aus den großen und kleinen Teufelskreisen von Verschulden und Versagen – hin zu menschenwürdigen Lösungen: Einsicht üben, Exempel statuieren, Steine neu behauen, Erfahrungen nicht verdrängen, vielmehr an nachwachsende Generationen weitergeben. Und dies alles nicht nur als gut gemeinte Worte an Gedenktagen wie dem heutigen – oder auch an anderen, die mir genau so wichtig sind, wie der 22. Februar 1943, der Hinrichtungstag der ersten drei verurteilten Mitglieder der „Weißen Rose“, oder der 9. April 1945, der Hinrichtungstag des christlichen Bekenners Dietrich Bonhoeffer, oder der 8. November 1938 (Judenpogrome) und 1939 (Georg Elser) und im Gefolge aller übrigen Gedenkdaten den 27. Januar 1945, den Tag der Befreiung der wenigen, von 6 Millionen überlebenden deutschen und europäischen Juden in Auschwitz. – Nein, noch so aufrichtige Worte und gute Vorsätze würden nicht aus dem Teufelskreis herausführen, solange daraus nicht auch etwas ganz Handfestes für den politischen Alltag entsteht. Ja, so etwa lautete mein ebenso idealistischer wie lapidarer Befreiungs-Coup, der mir – trotz aller unerbittlichen Realitätserfahrungen – bis heute als Anleitung zur politischen Bewährung gilt.

Damit bin ich bei der ziemlich rauen Wirklichkeit des Neubeginns nach 1945, der verlief nämlich sehr viel schwieriger, wechselvoller und weniger idealistisch, als ich mir das vorgestellt hatte. Zeit- und teilweise verlief er sogar entmutigend. Die meisten Menschen konnten oder wollten nicht bereuen: Man hatte überlebt, nun war man mit dem eigenen Weiterleben vollauf beschäftigt. Das „Opfer-sein“ ertrugen die wenigsten. Die meisten haderten und grollten mit ihrem Schicksal und den Nachkriegszuständen: „Und das soll Demokratie sein?“, war eine gängige Redewendung, wenn man für das Nötigste stundenlang anstehen musste, wenn man sich auf überfüllten Bahnhöfen in überfüllte Züge zwängte, wenn die Lebensmittelrationen neuerlich gekürzt wurden und der Schwarzmarkt blühte. Da höhnte es dann, oft verbittert: da habt ihr sie nun eure Demokratie, solche Missstände gab es früher nicht! – Ja, da hatten wir sie!

Anfangs überwogen Verwirrung, Lethargie, Unsicherheit. Wer sollte, wer musste für all das schreckliche, grauenhafte Geschehen die Verantwortung übernehmen, wer die Schuld und die Schulden tragen? Die ehemaligen Parteigenossen? Die großen – oder die kleinen Nazis? Die Durchhalteschergen, die Denunzianten? Oder kollektiv alle? – Der erste Nürnberger Prozess (1945/46) gegen zunächst 24 Hauptschuldige, von denen 12 zum Tode, 7 zu Haftstrafen (darunter drei lebenslänglich) verurteilt und drei freigesprochen wurden und die folgenden Prozesse u.a. gegen Wirtschaftsführer, Diplomaten, Ärzte erreichten ja nur die Exponiertesten unter Hitlers Handlangern. Obgleich unfassbare Verbrechen aufgedeckt und Schuldige verurteilt wurden, das „Volk“ hat die Untaten damals nicht sonderlich aufgewühlt, es vermutete überwiegend Siegerjustiz.

Haben wir damals eigentlich nicht realisiert, wie viel Hilfe uns trotz allem von den Siegern zuteil wurde? Die ungezählten Care-Pakete, die Quäker-Speisungen für Schulkinder und nicht zuletzt die zahllosen kulturellen Angebote? Oder der englische Jude Victor Gollancz, der seine Hand zur Versöhnung und tätigen Hilfe ausstreckte, oder der Geigenvirtuose Jehudi Menuhin, der Weihnachten 1945 auf den Trümmern der Berliner Philharmonie spielte?

Des ungeachtet: Man kann sich den damaligen Fatalismus der meisten Deutschen gar nicht drastisch genug vorstellen: Wir waren ein äußerlich und innerlich total zerstörtes, demoralisiertes und entkräftetes Volk, mit einer schrecklichen Vergangenheit belastet und ohne Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Wie sollte es gelingen, dieses, allen freiheitlichen und demokratischen Prinzipien abholdes Volk mit den Bedingungen eines freiheitlichen Gemeinwesens zu befreunden? Wie sollte es gelingen, verlorenes Ansehen und Vertrauen bei den europäischen Nachbarn und in der Welt zurückzugewinnen? Und wie konnte nach der totalen wirtschaftlichen Zerstörung und Demontage, nach dem Zustrom von über 10 Millionen Flüchtlingen und Vertriebenen aus osteuropäischen Ländern ein materieller Aufbau überhaupt eine Chance haben?

Ich suchte nach Orientierung und fand sie in Kreisen ehemaliger Widerständler und aufrechter Anti-Nazis. Es waren vor allem fünf Begegnungen, die mir weiterhalfen: Die mit Theodor Heuss, der mich in die aktive Politik führte, die mit Eugen Kogon, der mir in den neugegründeten „Frankfurter Heften“ ein Forum zum Diskutieren und Schreiben anbot, mit Martin Niemöller, dem Seelsorger meiner Kindheit, der mir beinahe väterlich zur Seite stand, dessen politische Überzeugungen ich jedoch nicht teilen konnte, mit Inge Scholl, die mir von ihren Geschwistern Sophie und Hans erzählte, Briefe und Flugblätter zeigte, und nicht zuletzt waren es die Begegnungen mit dem 20. Juli-Mann Theodor Steltzer, der überlebt hatte und damals kurzzeitig Ministerpräsident in Schleswig-Holstein war und Mittelpunkt so mancher leidenschaftlicher Diskussionsrunden. Er war von missionarischem Eifer erfüllt und wurde CDU-Mitglied. Am Ende aber war er wohl der Enttäuschteste unter den wenigen Widerstandskämpfern, die nach 1945 (partei-)politisch aktiv wurden. Alsbald beklagte er, dass die neu-alten Parteien nicht willens oder imstande seien, die geistigen Grundlagen für eine wirkliche Erneuerung zu schaffen, er beklagte die frühzeitigen ideologischen Verfestigungen, die er als „Parteientotalitarismus“ bezeichnete. Die Begegnung mit Steltzer erbrachte für mich erste Zweifel, ob es gelingen würde, zumindest das moralische Vermächtnis des Widerstands im Bewusstsein der sich alsbald hinter ihren Parteisüppchen verschanzenden Politiker wachzuhalten. Seine Besorgnisse waren berechtigt, wie sich bald nach Gründung der Bundesrepublik erweisen sollte. Steltzer resignierte.

Die Ausgangslage nach Kriegsende war also rundherum mit schweren Hypotheken belastet, Theodor Heuss, unser erster Bundespräsident (1949 bis 1959), hatte noch vor Kriegsende am 9. Mai 1945 in sein Tagebuch notiert: „Es wird eines ungeheuren seelischen Prozesses bedürfen, um alle Elemente der Hitler-Ideologie wieder aus dem Wesen der Deutschen auszuscheiden ... Mit der Flucht in Illusionen und Ausreden ist es nicht getan ...“

Wie Recht er damit hatte, davon wird noch die Rede sein.

Auch die Chancen für eine Demokratiewerdung beurteilte Heuss skeptisch und realistisch zugleich (März 1946): „Es ist das geschichtliche Leid der Deutschen, daß die Demokratie von ihnen nicht erkämpft wurde, sondern als letzte, als einzige Möglichkeit der Legitimierung eines Gesamtlebens kam, wenn der Staat in Katastrophen zusammengebrochen war. Dies ist die Last, unter der der Beginn nach 1918 und unter der der Beginn heute bei uns steht ... das Fertigwerden mit den Vergangenheiten.“

„Das Fertigwerden mit den Vergangenheiten“ – ja, das war ja die erste, die wichtigste, aber auch schwierigste Konsequenz, die wir nach 1945 aus der Zeit des Nationalsozialismus ziehen mussten, und dies bedurfte fortan langer und mühsamer „seelischer (und politischer) Prozesse“. Sie begannen zuerst einmal ganz vordergründig und sehr formalistisch: Wer war „Nazi“ gewesen – mit welchen Ämtern und Positionen – mit welcher Verantwortung belastet?

Wenn ich mich an die erste Nachkriegszeit zurückerinnere, dann fällt mir ein, abgesehen von dem unermesslichen Glücksgefühl, frei zu sein – vor allem frei von Angst – , abgesehen auch von Not, Zerstörung und Mangel an allen Gütern des täglichen Bedarfs, dann assoziiere ich sie mit der ziemlich missglückten sogenannten „Entnazifizierung“. Sie war die erste und für viele Deutsche die einzig greifbare Konsequenz aus ihrer Zugehörigkeit und begeisterten Zustimmung zum Nationalsozialismus (zumindest, solange es mit den Nazis aufwärts ging und wir siegten).

Sie gestaltete sich als ein überaus bürokratisches Verfahren, das über ellenlange Fragebögen abgewickelt wurde, dem in schweren Fällen Verhandlungen vor Spruchkammern folgten. Kleinere Nazis kamen dabei mit dem Schrecken davon, größeren wurden Geldstrafen auferlegt – zeitweise auch Berufsverbot, das bereits 1952 durch ein großzügiges Wiedereinstellungsgesetz, das sogenannte 131er-Gesetz, aufgehoben wurde. Schwererer Schuld und Verantwortung verdächtige Nazis kamen in der ersten Nachkriegszeit in Lager – ein Teil davon vor alliierte Gerichte. Viele braune „big-shots“ tauchten unter (einige auf Lebenszeit) oder flohen, meist nach Südamerika.

Zur Einsicht und inneren Umkehr dürften diese Verfahren nach meiner Erfahrung wenig beigetragen haben. Dennoch gab es sicher auch Deutsche, die sich ihrer braunen Vergangenheit, ihres Mitläufertums oder ihrer Zustimmung geschämt haben mögen. Von Politik – von Demokratie gar – wollte die große Mehrheit – zumindest bis Ende der 40er/Anfang der 50er Jahre – kaum etwas wissen. Noch Ende der 50er Jahre hielten – laut Allensbach – 56 % der Befragten „die Ziele des Nationalsozialismus für eine gute Idee“ – „nur schlecht ausgeführt“ – nur 25 % fanden das nicht.

Dementsprechend erinnere ich für die Zeit nach 1945 (abgesehen von den ohnehin unverbesserlichen Nazis) zwei diametral entgegengesetzte politische Grundströmungen über den Umgang mit der Nazidiktatur und der eigenen Vergangenheit: Da waren einmal – und das war anfangs die weit überwiegende Mehrheit – diejenigen, die vergessen – be- und verschweigen – oder bagatellisieren wollten (ein „Schlussstrich“ wurde schon damals gefordert!), und diejenigen, die auf leisen Sohlen neue Karrieren anstrebten (dazu haben der Zeithistoriker Norbert Frei und Mitautoren eine erste, ziemlich erschütternde Aufarbeitung vorgelegt).

Unklar war zunächst auch die Orientierung der jüngeren Kriegsgeneration, die sich alsbald als „ohne mich-Generation“ verstand. Sie hatte nichts anderes als den Nationalsozialismus gekannt, dem sie begeistert gefolgt war; sie fühlte sich missbraucht und enttäuscht und war zumeist von Selbstmitleid über“mannt“ (buchstäblich!). Das „Opfer-sein“ konnte und wollte sie nicht ertragen. Eine großzügig gewährte „Jugend-Amnestie“ beugte weiterer Verbitterung vor und trug zum allmählichen Umdenken bei.

Und dann gab es noch die andere, zunächst noch wesentlich schwächere Grundströmung, zu der die überlebenden Nazi-Gegner, die Verfolgten des Naziregimes und alle demokratisch Gesinnten z.B. Demokraten der Weimarer Republik, Christen, Gewerkschafter und Intellektuelle zählten, nur sehr gelegentlich auch rückgekehrte Emigranten, die leider eher mit Argwohn als mit offenen Armen aufgenommen wurden. Nach einer Allensbach-Befragung gaben 1954 noch fast 40% der Befragten an, „Emigranten sollten kein Regierungsamt haben“, nur 13 % waren dafür. Die beschämendste Ablehnung wurde zeitweise Willy Brandt und Herbert Wehner zuteil.

Bis heute haben wir den unermesslichen Aderlass, den die Flucht geistiger, wissenschaftlicher und kultureller Eliten aus Deutschland zur Folge hatte, nicht überwunden. Zu diesen unersetzlichen geistig-politischen Verlusten zähle ich stellvertretend Hannah Arendt, Fritz Stern, Hans Jonas, Alfred Grosser und Karl Popper.

Insgesamt war es nur eine Minderheit von Deutschen, die es von Anbeginn wagte, sich zur Demokratie zu bekennen und politisch zu engagieren.

Ein eindeutiges Schuldbekenntnis wurde nur von der Evangelischen Kirche im Oktober 1945 abgelegt. Darin heißt es: „Durch uns ist unendliches Leid über viele Völker und Länder gebracht worden. ... Wohl haben wir lange Jahre hindurch im Namen Jesu Christi gegen den Geist gekämpft, der im nationalsozialistischen Gewaltregime seinen furchtbaren Ausdruck gefunden hat; aber wir klagen uns an, daß wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben.“

Nun, selbst dieses reichlich vage, wenig radikale „Bekenntnis“ (die Judenvernichtung, Zwangseuthanasie und Konzentrationslager wurden gar nicht beim Namen genannt) war in den evangelischen Gemeinden heftig umstritten. Ich erinnere mich noch gut an einen Münchner Gemeindeabend, auf dem viel von „Nestbeschmutzung“ und „Selbsterniedrigung “ die Rede war ... Selbst die kirchlich orientierte Stimme des Volkes war also nicht unbedingt reumütig gestimmt, und die Befürworter des „Bekenntnisses“ waren in der Minderheit.

Diesen inneren Riss, der durch die politische Mentalität der Nach-Hitler-(West-) Deutschen ging, empfand ich wie eine unsichtbare Mauer, hinter der sich die unaufgeräumte Vergangenheit staute. Und bedrohlicher noch: bald nach der Gründung der BRD formierten sich, vom alten Ungeist getrieben, NS-Nachfolgeverbände und Parteien aller braunen Schattierungen neu. Unter anderem diffamierten sie die Männer des 20. Juli als Hoch- und Landesverräter, was damals der Mehrheitsmeinung entsprach, die sich nur sehr langsam änderte. Sie bezichtigten sie der Finanzierung durch das „feindliche Ausland“ und gaben ihnen die Schuld am verlorenen Krieg. 40 Jahre später beurteilten immerhin 60 % den 20. Juli 1944 positiv.

Es war dem couragierten Staatsanwalt Fritz Bauer zu verdanken, der dieser neuen Dolchstoßlegende mit einer Anklage beim Landgericht Braunschweig entgegentrat und Anfang 1952 im sogenannten Remer-Prozess mit einem bemerkenswerten Urteil obsiegte. Der Rädelsführer Ernst Remer wurde zu einer milden Gefängnisstrafe verurteilt. Remer erklärte: „Ich verbitte mir, Neo-Nazi genannt zu werden. Ich war, bin und bleibe überzeugter Nationalsozialist!“

Im gleichen Jahr wurde mit einem der ersten Urteile des neu errichteten Bundesverfassungsgerichtes die SRP (Sozialistische Reichspartei) verboten. Erschreckendes Nazi-Denken und -Brauchtum hatten dort martialische Urstände gefeiert und bei Landtagswahlen rasante Zustimmung gefunden. Ende der 40er Jahre setzte dann ein sogenanntes „Gnadenfieber“ ein. Es war eine Art Volksbewegung – verbal unterstützt von so manchen Politikern, darunter ansonsten lautstarken Befürwortern der Todesstrafe, wie z.B. der spätere CSU-Abgeordnete Jäger, die gegen die Vollstreckung von Todesurteilen an grausamsten SS-Schergen und KZ-Bewachern lauthals und aggressiv protestierten.

Als skandalöses „Nachbeben“ ist auch noch die von den Briten 1952 aufgedeckte Rechtsunterwanderung der nordrhein-westfälischen FDP – angeführt von einem früheren Goebbels-Staatssekretär namens Naumann –, zu erwähnen, eine Unterwanderung, die auch andere Landesverbände erfasste.

Gegen solcherlei und andere revisionistische Umtriebe und Strömungen (z.B. die baldige Rückkehr von Ex-Nazis bis hinauf in Ministerränge) gingen Regierungen und Parteien nur sehr zögerlich vor und meist nur dann, wenn man Kritik und ein schlechtes „Image“ im Ausland befürchtete. Davon wird noch die Rede sein müssen.

Die Jüngeren unter Ihnen werden sich erstaunt fragen, ob und wie es in dieser wenig Neuanfang versprechenden Konstellation überhaupt zu demokratischen Anfängen kam. – Nun, das verdankten wir auch den westlichen Besatzungsmächten, die unbescholtene Deutsche der älteren Generation örtlich mit ersten öffentlichen Aufgaben betrauten, die ab Ende 1945 die ersten unverdächtigen Parteien und zwei- bis vierseitige Zeitungsblättchen lizenzierten, die Kommunalwahlen vorbereiteten und ab 1946 in ihren Besatzungszonen demokratische Verfassungen ausarbeiten ließen, die in den Ländern der US-Besatzungszone bereits am 1. Dezember 1946 durch Volksabstimmung angenommen wurden. Außerdem ordneten sie, mit Unterstützung deutscher Reformer aus der Weimarer Zeit, Schul- und Hochschulreformen an und forderten erste finanzielle Hilfsleistungen für überlebende Opfer des NS-Regimes.

Missverständlicherweise bezeichneten sie die genannten und andere Maßnahmen (z.B. großzügige kulturelle Angebote, Studienreisen in die USA und ab 1949 Jahresstipendien an den besten US-Universitäten) als „Re-education“. In Wirklichkeit war es das, was wir heute „Hilfe zur Selbsthilfe“ nennen: „Hilfe zur Selbsthilfe“ in Sachen Demokratieaufbau, und mit dem Marshallplan zum Wirtschaftsaufbau. Und beides gelang allmählich. Auch ich profitierte davon, seit 1948 als jüngste Münchner Stadträtin, ab 1950 als bayerische Landtagsabgeordnete und 1949 – zusammen mit dem jungen Berliner Stadtverordneten Klaus Schütz – mit einem Jahresstipendium an der Harvard-Universität.

Unter der Oberfläche dieser und anderer, von den Besatzungsmächten geförderten Demokratisierungsprozesse existierten jedoch auch weiterhin tiefe Risse, und es bedurfte jener „ungeheuren seelischen und politischen Prozesse“, bevor die Ära des Be- und Verschweigens zu Ende ging und die Zeit der eigentlichen Aufarbeitung beginnen konnte.

Wenn ich mich an das erste Nachkriegsjahrzehnt zurückerinnere und bis in die 60er Jahre hinein, dann war es unter den verdienstvollen Nachkriegspolitikern wie Konrad Adenauer, Kurt Schumacher, Eugen Gerstenmaier, Carlo Schmid und Theodor Heuss vor allem der letztgenannte, der uns Deutschen bereits in der allerersten Nach-Hitler-Zeit die Zusammenhänge von politischer Schuld und Sühne aufgezeigte, aber auch die Bedingungen und Chancen für ein freiheitliches Gemeinwesen nannte. Hierfür einige Zitate, die für ungezählte andere sprechen:

Nach seiner Wahl zum Bundespräsidenten am 12. September 1949: „Das deutsche Volk hat es sich leicht, zu leicht gemacht in seiner Masse, sich in die Fesseln des Nationalsozialismus zu geben. Es darf es sich nicht leicht machen, diese Fesseln, an denen es schlimm trug, von denen es sich nicht selber hatte lösen können, es darf es sich nicht leicht machen, die bösen Dinge wie einen wüsten Traum hinter sich zu werfen ... um unserer moralischen Volkszukunft willen ...“

Am 7. Dezember 1949: „Wir dürfen nicht vergessen, dürfen auch nicht Dinge vergessen, die die Menschen gerne vergessen möchten, weil das so angenehm ist. Wir dürfen nicht vergessen die Nürnberger Gesetze, den Judenstern, die Synagogenbrände, die Abtransporte von jüdischen Menschen in die Fremde, in das Unglück, in den Tod. Das sind Tatbestände, die wir nicht vergessen dürfen, weil wir es uns nicht bequem machten dürfen ...“

Aus einer Rundfunkansprache anlässlich der Woche der Brüderlichkeit: „Mir hat neulich einer einmal geschrieben, ich solle doch nicht mehr gegen den Nationalsozialismus etwas sagen – der sei ein Stück geschichtlichen Schicksals gewesen, wie es eben über die Völker komme. Ich konnte ihm nur antworten: so bequem dürfen wir es uns nicht machen. ... Wer möchte die Unverfrorenheit besitzen, jüdischen Menschen zu sagen: ‚vergesst es doch!‘ So billig, das Wort im moralischen wie im materiellen Sinn, wird Hitlers Hinterlassenschaft nicht beglichen – es ist eine unerhört schwere Aufgabe, sich durch das Erbe dieser Geschichte hindurchzuarbeiten. Denn aus viel Leid ist auch viel Haß gezeugt worden, wer wollte sich darüber wundern?“

Auch war Heuss der erste und damals einzige Politiker, der bereits 1952 am Mahnmal in Bergen-Belsen die in Konzentrationslagern umgekommenen Opfer der NS-Verfolgung ehrte und sich am 20. Juli 1954 zum Recht auf Widerstand bekannte. Ich zitiere: „Wir werden nicht verhindern können, daß in Hinterstuben diese oder jene Schmährede das Gedächtnis der Männer besudelt ... diese Stunde aber soll Bekenntnis und Dank sein ... Ihr Vermächtnis ist noch in Wirksamkeit, die Verpflichtung noch nicht eingelöst.“

Leider ist die von Theodor Heuss begonnene moralisch-politische Fundierung unserer Demokratie nach seiner Präsidentschaft und seinem Tod am 12.12.1963 bis zur Präsidentschaft von Gustav Heinemann (1969 – 1974) nicht mit der gleichen Intensität und Überzeugungskraft fortgesetzt worden. In meiner Erinnerung waren es eher gegenläufige Tendenzen, die den mühsam in Gang gekommenen politischen und moralischen Prozess der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus in der Zeit des florierenden Wirtschaftswunders schon bald überlagerten. Man glaubte, mit einer materiellen Wiedergutmachung sei aller Schuld und Reue Genüge getan. Dem aber war nicht so und durfte nicht so sein.

Dritte Station: Entnazifizierung und ihre Folgen – Staatsvertrag mit Israel – Wiedergutmachungsgesetzgebung und spätere neue Ansätze

Auch die dritte Station meiner Streifzüge durch die Geschichte der Nach-Hitler-Zeit bedarf eines längeren Aufenthaltes.

Ich möchte noch einmal auf die sogenannte „Entnazifizierung“ zurückkommen, auf jenes von den Besatzungsmächten ausgetüftelte, von Deutschen durchgeführte, bürokratische Verfahren, mit dem eine wahrhaftige Auseinandersetzung über Schuld, Verantwortung und Sühne eher verhindert als gefördert wurde. Es fragte nicht nach persönlicher Einsicht und Umkehr, was zur Folge hatte, dass Millionen der als „Mitläufer“ Eingestuften ihre meist geringfügigen Geldstrafen einfach „wegsteckten“. Mit der sich nach und nach entwickelnden Demokratie begannen sie sich erst im Laufe des „Wirtschaftswunders“ allmählich zu befreunden.

Wie es um das Wissen und Gewissen der Mehrheit der Deutschen in den ersten Nachkriegsjahren wirklich bestellt war, wage ich bis heute nicht zu beurteilen. Aus eigenem Erleben erinnere ich, dass, wenn ich Bekannte aus der Hitlerzeit wiedertraf, die beteuerten, schon immer dagegen gewesen zu sein, aber nun sei es ja auch nicht viel besser. Sie schienen nur um sich und ihr Wohl besorgt zu sein. Von den ungezählten Opfern, vom Widerstand, vom Martyrium der um ihres Glaubens, ihrer Rasse, ihrer politischen Überzeugung willen Gemordeten, Vergasten, körperlich und seelisch Zerstörten wollten sie zu allermeist nichts wissen und hören.

Diese Befindlichkeiten fanden auch in den ersten Gesetzgebungen der 1949 gegründeten Bundesrepublik ihre Entsprechung. Sie betrafen zuvörderst die Amnestierung, Straffreiheit und Rehabilitierung ehemaliger Nazis, Kriegsopfer und Vertriebener. Höhepunkt war das sogenannte 131er-Gesetz nach dem 100 000e sogenannter „Entnazifizierungsgeschädigter“(!) ein Rückkehrrecht auf ihre früheren Positionen hatten. Erst als diese Art „Vergangenheitsbewältigung“ befriedigend (und befriedend!) abgeschlossen war, wurden Regierung und Gesetzgeber in Sachen Wiedergutmachung tätig.

Sie begann 1953 mit dem Staatsvertrag mit Israel, nach dem über 12 Jahre insgesamt 12 Milliarden DM Wiedergutmachung geleistet werden sollten.

Aus den Protokollen des Bundestags über diesen Vertrag geht eindeutig hervor, dass es hierfür mehrheitlich keine aufrichtige Zustimmung gab. Ausgenommen Bundeskanzler Adenauer, die Redner der SPD und der CDU-Abgeordnete Dr. Gerstenmaier, die die Wiedergutmachungsverpflichtung gegenüber Israel aus eigener Überzeugung zum Ausdruck brachten, überwog bei den Beratungen atmosphärisch-schweigende Verklemmung. Das Abstimmungsergebnis war dem entsprechend: In der 146-köpfigen CDU/CSU-Fraktion stimmten nur 84 Abgeordnete mit Ja, 5 mit Nein, 39 enthielten sich und 18 fehlten. Bei der 49-köpfigen FDP-Fraktion sah es noch schlechter aus: nur 17 Ja-Stimmen, 5 Nein-Stimmen, 19 Enthaltungen, 8 fehlten. Von der 20 Mitglieder zählenden Fraktion der rechtskonservativen „Deutschen Partei“ stimmten gar nur 5 Abgeordnete mit Ja. Ohne die einstimmige Unterstützung der in Opposition stehenden Sozialdemokratie hätte der Vertrag damals keine Mehrheit gefunden.

Das zweite Beispiel betrifft die Wiedergutmachungsgesetzgebung für Verfolgte und Opfer des Nationalsozialismus aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen. Das erste Gesetz hierzu wurde buchstäblich in letzter Stunde der ersten Legislaturperiode 1953 beschlossen. Es war so unzulänglich, dass man bereits zwei Jahre später in Novellierungsverhandlungen gehen musste. Bei der Durchführung des ersten Gesetzes waren „böse Verwaltungspraktiken“, die oft an „passiven Widerstand grenzten“, bekannt geworden. So heißt es in dem Bericht des zuständigen Bundestagsausschusses vom 6. Juni 1956: „Der Ausschuß hat mit Erschrecken und Entsetzen Entscheidungen von Entschädigungsbehörden und

-gerichten zur Kenntnis genommen, in denen eine Art des Denkens zum Ausdruck kommt, die zum völligen Versagen, ja zum Teil in das Gegenteil der Wiedergutmachung führen muß ...“

Das zweite Wiedergutmachungsgesetz wurde dann im Juni 1956 verabschiedet. 1965 wurde es zwecks Verlängerung der Anmeldefristen noch einmal novelliert und zum „Wiedergutmachungs-Schlußgesetz“ erklärt. Opfer sozialer Verfolgung wie beispielsweise Zwangssterilisierte, Sinti und Roma, Homosexuelle und Deserteure aus Gewissensgründen wurden nicht berücksichtigt. Von einer Entschädigung für Zwangsarbeiter war erst gar nicht die Rede.

Insgesamt sind nach diesem Gesetz über 100 Milliarden DM materieller Wiedergutmachung geleistet worden, ein hoher Betrag, der sich jedoch relativiert, wenn man berücksichtigt, dass ein Monat KZ mit 150 DM Monatsrente „wiedergutgemacht“ wurde, das waren 5 DM pro Tag KZ-Haft, Grauen und Qualen. Trotz dieser, für den jeweils Betroffenen bescheidenen Beträge ist auch dieses Gesetz in der Volksmeinung niemals „populär“ und immer umstritten gewesen.

Es sollte weitere 20 Jahre dauern, bis 1987 ein weiteres trauriges Kapitel unerledigter Wiedergutmachung von einigen Einzelkämpfern aus allen Bundestagsfraktionen (ausgenommen der CSU) aufgegriffen und wenigstens einigermaßen befriedigend abgeschlossen werden konnte: Es handelte sich um die Opfer sozialer Verfolgung und Vernichtung. Hierzu zählten Euthanasie-Opfer, Zwangssterilisierte, Sinti und Roma, Homosexuelle und sogenannte „Asoziale“.

Für eine Entschädigung dieser Opfer hatte ich im August 1987 einen dringlichen Appell veröffentlicht, in dem es heißt: „Wie viele überlebende Opfer nationalsozialistischer Verfolgung seit 1945 nicht in den ,Genuss‘ einer noch zu bescheidenen Wiedergutmachung gekommen sind, wird sich heute – 42 Jahre nach Kriegsende – nicht mehr feststellen lassen. Wenn man zu den geschätzten 7,5 Millionen Zwangsarbeitern in Rüstungsbetrieben die Opfer von Zwangssterilisation und Euthanasie hinzuzählt, zudem die sozial-verfolgten Sinti und Roma (Zigeuner), die Homosexuellen, aber auch die seinerzeit als ,Asoziale‘ in KZs verbracht wurden, oder die aus Gewissensgründen Desertierten usw., so dürfte ihre Zahl mindestens noch einmal ebenso hoch sein, wie die aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen Verfolgten. Auch für diese Gruppe gilt die Erkenntnis, die der Sachverständige Prof. Doerner so formulierte: ‚Die Leistung der Wiedergutmachung wird sich insgesamt letztlich nicht an der Zahl der positiv entschiedenen Verfahren und auch nicht an der Höhe der Mittel, die dafür aufgewendet wurden, messen lassen, sondern nicht zuletzt an der Zahl derer, die dennoch durch die Maschen gefallen sind.’“

Und das waren viele, die kärglich von Sozialhilfe leben mussten. 1987 war ein großer Teil der Opfer sozialer Verfolgung bereits gestorben, andere hatten Fristen versäumt oder es längst aufgegeben, die geforderten „Beweise“ für ihre Verfolgung (z.B. Operationsnarben von Zwangssterilisationen!) vorzulegen – zudem war ihnen der Makel gesellschaftlicher Diskriminierung niemals genommen worden.

Dass für sie – trotz zahlloser Widerstände – am Ende doch noch eine, wenn auch sehr bescheidene und verspätete Abhilfe gelang, war nicht das Verdienst der Regierung, sondern von parlamentarischen Einzelkämpfern, von engagierten Bürgern und Verbänden, die die Mäntel parlamentarischer Routine und öffentlicher Gleichgültigkeit zerrissen und ein weiterwirkendes „Exempel“ – wenn auch verspäteter – Entschädigung „statuiert“ haben.

Als letztes Beispiel für quälende Lernprozesse – bis zu einem letztendlich mit der sehr verspäteten Entschädigung der Zwangsarbeiter erst jüngst positiv statuierten Exempel – erinnere ich an die dreimaligen Anläufe im Deutschen Bundestag bis zur endgültigen Aufhebung der Verjährungsfristen für Mord im Falle ungesühnter NS-Verbrechen (1965, 1968 und 1979). Und ich erinnere an die 1985 (leider nur halbherzig) geregelte Strafbarkeit der sogenannten „Auschwitz-Lüge“.

Alles in allem dokumentieren die einschlägigen Debatten eine wachsende Bereitschaft, hinter Formalismus getarnte Gleichgültigkeit zu überwinden, Steine neu zu behauen und Exempel zu statuieren. Und sie beweisen auch ein gewachsenes Bewusstsein für die fortwirkende Verantwortung im Sinne der anfangs zitierten Botschaften.

Vierte Station: Von der Zeit des Beschweigens, über neue Ansätze zu vielfältigen Beiträgen im Umgang mit dem Vermächtnis des Widerstands

Nach der ersten, politisch wenig klärenden und aufhellenden Epoche der Versäumnisse, des Beschweigens und Verdrängens erreichen wir auf unseren Streifzügen durch die Geschichte der Nach-Hitler-Zeit nun die vierte Station und erblicken – etwa seit Beginn der 60er Jahre – eine sich wandelnde politische Landschaft. Zwar dominierte immer noch das Erfolgserlebnis „Wirtschaftswunder“ und des raschen Wiederaufbaus, aber die Zeit ausschließlich restaurativer Tendenzen ging zu Ende. Obgleich viele, viel zu viele scheinbar makellos Entnazifizierte zurückgekehrt waren, die Globkes und Oberländers, die Filbingers und Maunzens, insgesamt machte sich jedoch – und das nicht nur unter Studenten – eine wachsende politische und gesellschaftliche Besinnung und Aufbruchstimmung bemerkbar.

Rechtsstaatlicher Vorläufer war die 1958 in Ludwigsburg errichtete „Zentralstelle zur Ermittlung von NS-Verbrechen“, die der Aufklärung ungesühnter NS-Verbrechen dienen und damit der für 1965 drohenden Verjährung von NS-Verbrechen vorbeugen sollte. Insgesamt konnten – dank der intensiven Ludwigsburger Tätigkeit – mit einem Bestand von über 100 000 Fahndungsakten über 14 000 Einzelverfahren eingeleitet werden und ab 1963 und dann 1974 und ‘75 bis ‘81 vor allem die ersten großen Strafverfahren gegen KZ-Wachmannschaften, Schreibtischtäter und SS-Chargen in deutscher Regie durchgeführt werden. Dem verstorbenen Fernsehjournalisten Eberhard Fechner verdankten wir erschütternde Berichte über den Prozessverlauf und die grauenhaften Verbrechen in den Vernichtungslagern Auschwitz und Majdanek.

Ich habe diesen Sachverhalt etwas ausführlicher gewürdigt, weil sich nun, im Sinne meiner Thematik, eine bemerkenswerte Wende im öffentlichen und politischen Bewusstsein ankündigte. Von nun an – und verstärkt durch Schriften wie die von Alexander und Margarete Mitscherlich „Über die Unfähigkeit zu trauern“, durch Dokumentationen und Filme (Hollywoods Holocaust) – fragten Kinder ihre Eltern, Schüler ihre Lehrer, Christen ihre Amtskirche nach der Vergangenheit und weshalb die Aufarbeitung so gut wie nicht stattgefunden hätte, weshalb die Konsequenzen so beschämend unzulänglich gezogen worden – kurzum weshalb so wenig „Exempel“ statuiert worden seien.

Auch die innenpolitische Großwetterlage veränderte sich mit der Regierung Brandt-Scheel zusehends. Nachdem es bei den Bundestagswahlen 1969 – auch mit Hilfe einer beispielhaft engagierten Initiative junger Menschen –

gelungen war, den Einzug der damals neuerlich erstarkten NPD zu verhindern, nahm die Ära der Entspannungs- und Versöhnungspolitik mit den früheren osteuropäischen Kriegsgegnern ihren Anfang. Hierzu leistete auch die sogenannte Oder-Neisse-Denkschrift der Evangelischen Kirche einen wichtigen Beitrag, desgleichen die Idee und Tat der Gründung der „Aktion Sühnezeichen“ (Lothar Kreyssig) und einer sehr verdienstvollen Christlich-Jüdischen Arbeitsgemeinschaft auf Kirchentagen, um nur einige von vielen anderen Beispielen zu nennen. Nur eines muss ich noch hinzufügen: Den „Kniefall“ des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt am Mahnmal vor dem Warschauer Ghetto am 7. Dezember 1970, den Beginn des langen Aussöhnungs-Prozesses, ohne den es 1990 kein Ende des Kalten Krieges und keine Überwindung der Teilung Deutschlands und Europas gegeben hätte.

An der Fünften Station soll von wichtigen und ermutigenden Beispielen des wissenschaftlichen, geistigen und gesellschaftlichen Engagements während der letzten 25 Jahre die Rede sein. Sie ist so vielgleisig, dass sie allein eines abendfüllenden Rundganges bedürfte.

Hier nur so viel: Die wissenschaftliche und die Erinnerungsliteratur füllten ganze Bibliotheken. Beispielhaft nenne ich meine Favoriten Viktor Klemperer, Saul Friedländer, Eberhard Bethges Bonhoeffer-Biografie, Karl Jaspers, Jürgen Habermas.

Desgleichen boomt das Interesse an zeitgeschichtlicher Forschung, inklusive der damit verbundenen Kontroversen, die ich als belebend und heilsam empfinde. Geschwiegen wurde lange genug! Fernsehserien und Filme haben viel dazu beigetragen, dass die Nazizeit inklusive Widerstand und Verfolgung nach Jahren des Desinteresses und der Ignoranz schließlich doch noch – vor allem bei jungen Menschen – eine Art „Allgemeingut“ wurde.

A propos junge Menschen: Ich denke an das großartige Engagement ungezählter junger Menschen in Ost und West, in Schulen, Verbänden und Initiativen für Frieden und Menschenrechte, an Beiträge zur Erinnerung und Versöhnung – an die ungezählten großen und kleinen Beispiele für mehr Mitmenschlichkeit. All das wurde sowohl im Sinne des Vermächtnisses der Opfer von Widerstand und Verfolgung als auch des „nie wieder“ verstanden. Zugleich hat es demokratischen Lebensformen Auftrieb gegeben.

Ich nenne z. B. die Lichterketten gegen Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus, das Engagement der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit, die Aktivitäten des „Vereins gegen Vergessen und für Demokratie“, der „Weiße Rose Stiftung“, die bewegenden Gedächtnisvorlesungen und die Errichtung von Jugendbegegnungsstätten in Dachau und Auschwitz. In ehemaligen Konzentrationslagern und Gedenkstätten, in Ausstellungen und Museen hat sich eine beachtliche „Erinnerungskultur“ entwickelt. Auch haben Konzerne, Berufsverbände oder auch Institutionen wie Universitäten, wenn auch sehr verspätet und oft zögerlich, mit der Aufarbeitung ihrer eigenen Vergangenheit begonnen.

Als letztes Beispiel aus eigener Tätigkeit möchte ich in diesem Zusammenhang die 1964 – nach dem Tode unseres ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss, zusammen mit Freunden aus allen politischen Lagern – gegründete, gleichnamige Stiftung nennen, die sich die Stärkung der Demokratie als Lebensform aufs Panier geschrieben hat. Alljährlich fördert sie besonders bemerkenswerte Beispiele für demokratisches und gemeinwohlorientiertes Engagement, für Zivilcourage und Toleranz. Die 40jährige Chronik der einschlägigen Beispiele ist zu einem erfreulichen Stück Zeitgeschichte aufgewachsen. Ich zähle allein je 25 Auszeichnungen für Taten der Versöhnung und gegen neue Gefährdungen. Zumeist sind es keine Helden-, sondern Alltagstaten, die in der Zusammenschau ein Bild von dem geben, was Theodor Heuss „den rechten Gebrauch der Freiheit“ genannt hat.

Sechste Station: „Der Schoß ist fruchtbar noch“ – Herausforderungen heute: Rechtsextremismus, Antisemitismus, Revisionismus

Doch leider gibt es auch neue Gefährdungen, Erschreckendes und Schockierendes, das uns an der vorletzten Station unserer Streifzüge begegnet. Seit Jahren schon feiert in unserem Lande ein rassistischer, antisemitischer und fremdenfeindlicher Rechtsextremismus makabre Urstände und wie der jüngste Verfassungsschutzbericht feststellt – mit steigender Tendenz. 2002 wurden 10902 rechtsextremistische Straftaten registriert – täglich also mehr als zwanzig, darunter 772 Gewalttaten. Etwa 100 Morde in den 90er Jahren, zahllose Brandstiftungen und Schändungen jüdischer Friedhöfe. Skinheads und Neonazis verbreiten, auch verstärkt im Internet, typisch nazistische Parolen, verleugnen den Holocaust und verbreiten rassistische, antisemitische und antidemokratische Hassgesänge.

Hier eine Kostprobe: „Ran an den Feind – ran an den Feind – Bomben auf Israel – wir stellen die Auserwählten zum letzten entscheidenden Schlag. Wir halten Gericht, ihre Feldmacht zerbricht – das wird unser stolzester Tag! Bomben, Bomben, Bomben auf Israel.“

Zahlreiche staatliche Maßnahmen und viele Bürgeraktivitäten halten dagegen. Zudem gibt es landauf-landab tapfere und engagierte Leute, die mit immer neuen Aktionen „Exempel statuieren“ und den neuerlich weitverbreiteten „Mantel der Gleichgültigkeit“ zerreißen.

Das alles ist aber offensichtlich nicht genug. Es wird entscheidend darauf ankommen, Rechtsextremisten, die ja unsere Demokratie verachten und bekämpfen, von ihren Stärken und positiven Angeboten zu überzeugen und für ein Leben in freier Selbstbestimmung zurückzugewinnen. Dafür werden vor allem mehr „Präventionsprogramme“ in Schulen und in der Jugendarbeit gebraucht, aber auch Hilfen für Ausstiegswillige, und nicht zuletzt große Anstrengungen der politisch Verantwortlichen zur Überwindung von Politik(er-) und Demokratieverdrossenheit.

Siebente und letzte Station:Prüfsteine und Wegweisung für die Zukunft

Wenn wir uns abschließend fragen, ob und wie wir im Verlauf von bald 60 Jahren wirklich Sühne geleistet haben für die furchtbaren Verbrechen, die während der Nazi-Herrschaft im deutschen Namen von Deutschen gegen Millionen Menschen begangen wurden, dann antworte ich mit einem „Ja“, dem ich zugleich ein „Aber“ hinzufüge. Denn trotz vieler, aufrichtiger und nachhaltiger Bemühungen – es bleibt immer noch und immer wieder viel zu tun übrig. Der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker hat es am 8. Mai 1985 in seiner historischen Rede unvergesslich wie folgt formuliert:

„Wir alle, ob schuldig oder nicht, ob alt oder jung, müssen die Vergangenheit annehmen. Wir alle sind von ihren Folgen betroffen und für sie in Haftung genommen ... Wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart ... Wer sich der Unmenschlichkeit nicht erinnern will, der wird wieder anfällig für neue Ansteckungsgefahren ... Für uns kommt es auf ein Mahnmal des Denkens und Fühlens in unserem eigenen Innern an ...“

Darauf vor allem wird es auch in Zukunft ankommen.