20. Juli 1944: Opfer als Mahnung und Maßstab

Hanna-Renate Laurien

20. Juli 1944: Opfer als Mahnung und Maßstab

Ansprache der Bürgermeisterin von Berlin Dr. Hanna-Renate Laurien am 20.Juli 1987 in der Gedenkstätte Plötzensee, Berlin

Freunde und Verwandte der Männer und Frauen des Widerstandes,

Träger dieses Widerstandes,

Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt, unseres Landes,

wir haben uns hier versammelt, um uns jener zu erinnern, die für ein anderes Deutschland als das der Nationalsozialisten ihr Leben gaben. „Erinnern“ ist dabei eine schwache Bezeichnung. Es reicht nicht aus, zurückzuschauen, es beim geschichtlichen Abstand von nun 43 Jahren zu belassen. Wenn aus dem Handeln und Denken jener, die dem Ungeist widerstanden, für uns Maßstäbe gewonnen werden sollen, die unser Handeln und Denken in Berlin, in Deutschland, in Europa bestimmen können, dann müssen wir von dem Geschehen innerlich betroffen werden.

Gewissenhaben setzt solches Betroffensein voraus. Diese Männer und Frauen, die – nach langer und oft qualvoller Prüfung – mit einem Mord dem grauenvollen Morden ein Ende setzen wollten, setzten eben nicht Mord als Mittel der Politik ein, sondern wussten, dass Hass keine Basis des Zusammenlebens ist.

In der nie gehaltenen Regierungserklärung von Carl Friedrich Goerdeler heißt es: „Wir rufen Euch auf zu tätiger Selbstbesinnung und zu opferbereiter Zuversicht.“ Ihr Bündnis begann nicht im Krieg, um etwa die Niederlage zu verhindern oder erträglicher werden zu lassen, nein, ihr Bündnis begann vor dem Krieg, um seinen Ausbruch zu verhindern, und ihre bleibende Wirkung ist wohl die, dass sie, wie Richard Löwenthal es einmal ausgedrückt hat, „ein Vorbild für den Wandel zu demokratischer Zusammenarbeit ... in breiteren Schichten des deutschen Volkes gesetzt“ haben und so auch die „Wegbereiter der Zusammenarbeit unter Vertretern verschiedener Arten freiheitlicher Gesinnung, ohne die keine lebensfähige Demokratie möglich ist“, waren.

Gerade in Berlin, diesem Ort, der die Begegnung von Freiheit und Unfreiheit hautnah erfahren lässt, nehme ich in meinen Gruß an Sie im Namen des Berliner Senats diese verpflichtende Botschaft der Gemeinsamkeit aller Demokraten, der Unteilbarkeit der Freiheit auf. Diese Männer und Frauen hatten nicht nur die Gesinnung des Widerstandes gegen Terror und Gewalt, sie haben auch dieser Gesinnung entsprechend gehandelt. Aus dem Erinnern an sie muss für uns die Verpflichtung zum Handeln im Heute erwachsen. Ihr Tod, ihr Opfer sind uns Mahnung und Maßstab.





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