Begrüßungsworte

Eberhard Diepgen

Begrüßungsworte

Begrüßungsworte des Regierenden Bürgermeisters von Berlin Eberhard Diepgen am 19. Juli 1985 beim Empfang des Senats im Kammersaal des Rathauses Schöneberg, Berlin

Gemeinsam mit der Stiftung „Hilfswerk 20.Juli 1944“, dem „Zentralverband demokratischer Widerstandskämpfer- und Verfolgtenorganisationen“ sowie der „Union Deutscher Widerstandskämpfer -und Verfolgtenverbände“ haben der Bundeskanzler und ich eingeladen, um morgen den Widerstand gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft zu ehren.

Das Beispiel der Frauen und Männer aus allen Schichten, Konfessionen und Parteien, die für die Freiheit und das Recht gegen den totalen Gehorsam eintraten, ist bis heute wichtig geblieben.

Es mahnt uns, die Mitverantwortung für die Demokratie stets im Auge zu behalten und verpflichtet uns, die Freiheit jedes Einzelnen zu achten und zu sichern.

Es macht uns vor allem das Ertragen der Jahre 1933 bis 1945 leichter. Wir Deutschen machen es uns offensichtlich schwer mit unseren Gedenktagen. Das würdelose Gezerre um den Umgang mit Gedenktagen verdrängt allzu oft den Inhalt des Erinnerns.

Damit leisten wir der politischen Kultur in der Bundesrepublik Deutschland keinen guten Dienst.

Demokratie und ihr Umgang mit Geschichte, das darf und muss unbequem sein. Meinungsfreiheit in der Demokratie hat zwei Seiten: Die Freiheit zu sagen, was man denkt, aber auch die Fähigkeit dem zuzuhören, was man nicht denkt.

Es verstaubt das Denken, wenn wir nur darauf warten, dass ein Redner unsere Meinung bestätigt, so dass wir dazu selbstgefällig nicken können. Zum Recht auf freie Rede in einer Demokratie gehört bisweilen auch umgekehrt die Last des Zuhörens in Geduld und mit Toleranz. Toleranz beginnt ja erst da, wo es unbequem wird: Einander ertragen, ja einander ertragen können und wollen, das gehört zu Berlin. In unserem Gedenken an den 8. Mai haben wir es in Berlin – schließlich – ja auch geschafft. Es sollte uns auch morgen gelingen.

Und noch eines: Im britischen Parlament gab es eine gute Sitte, dass ein Redner nach einem leidenschaftlichen Appell seine Rede abschloss mit dem Satz: „But I could be wrong“ – Ich könnte mich irren. Ich halte es für eine wichtige Lehre der Politik, dass wir uns in unseren Ansprüchen und in unseren Äußerungen nicht für unfehlbar halten.