Das Bild des Menschen wieder herzustellen im Herzen ihrer Mitbürger

Cord von Hobe

Das Bild des Menschen wieder herzustellen im Herzen ihrer Mitbürger

Ansprache des Generalmajors Cord von Hobe am 20. Juli 1962 im Ehrenhof des Bendlerblocks in der Stauffenbergstraße, Berlin

Es ist ein guter Brauch geworden, dass die Bundeswehr am heutigen Tage in feierlichen Appellen und durch Entsendung einer Abordnung nach Berlin des

20. Juli 1944 gedenkt.

Wir haben, wie es der Generalinspekteur der Bundeswehr im Vorjahr ausdrückte, die Männer des 20. Juli bewusst in die Traditionskette der deutschen Soldaten aufgenommen. Das ist gut, aber nicht genug. Es ist nicht genug, nur einmal im Jahr zu gedenken, um dann im Laufe des täglichen Dienstes wieder zu vergessen, zu vergessen, warum diese Frauen und Männer so gehandelt haben und zu übersehen, dass jeder von uns an seiner Stelle – und nicht nur der Soldat – täglich vor ähnliche geistige und sittliche Entscheidungen gestellt werden kann.

Ein hervorragendes Ziel der Tat des Widerstandes war es, das Bild des Menschen wieder herzustellen im Herzen ihrer Mitbürger. Mir scheint, darum geht es auch heute. Wiederum ist der Mensch in seinem von Gott gewollten Bild und in seiner freiheitlichen Ordnung bedroht von außen, wie man es in dieser uns so lieben Stadt sichtbar spürt, aber bisweilen auch von uns selbst, wenn wir von unserer Freiheit keinen weisen Gebrauch machen, in den Tag hinein leben und vergessen, dass Pflicht vor Rechten geht. Der Dienst aber an der guten Sache der Freiheit und die Verantwortung für einander, vor allem für die einem anvertrauten Menschen, erfordern Opfer. Opfer, wie sie uns von denen, derer wir hier gedenken, bis zur letzten Konsequenz gezeigt wurden.

Für unsere Generation ist das ein Anruf, dem wir folgen müssen.

Lassen Sie mich aber noch auf eine Verantwortung hinweisen, die wir Älteren recht ernst nehmen sollten. Es kann nicht nur Aufgabe der Bundeswehr allein sein, Staatsbewusstsein, Bürgersinn und Verantwortungsgefühl in jungen Menschen zu wecken und zu pflegen. Der Grundstein muss in der Familie gelegt sein. Vergessen wir nie, dass alle Männer und Frauen des 20. Juli aus Familien stammen, in denen Gottesfurcht, das Dienen, die Nächstenliebe und die Erhaltung der Menschenwürde zum tragenden Element gehören.

Es ist ferner eine Aufgabe von uns Vätern, unseren Söhnen, nach Jahren des Missbrauchs des Begriffs Vaterland, Bedeutung und Inhalt dieses Begriffs wieder nahe zu bringen, ohne in engstirnigen Nationalismus zu verfallen.

An uns Vätern liegt es, was das Vaterland für die Jugend bedeutet. Helfen wir ihr, es zu erkennen, es lieben zu lernen, damit sie in ihm die Kraft findet, es wiederherzustellen, zu bewahren und zu schützen, was uns lieb ist, damit sich der Ruf erfülle, der in diesem Hof vor 18 Jahren gehört wurde: „Es lebe unser heiliges Deutschland!“ In diesem Sinne legen wir den Kranz der Bundeswehr nieder.



Weitere Reden

20.07.1962
Prof. Dr. Hans Rothfels
Prof. Dr. Hans Rothfels