Ein Symbol für den Widerstand gegen den Nationalsozialismus

Gedenkstätte Deutscher Widerstand

Klaus Wowereit

Ein Symbol für den Widerstand gegen den Nationalsozialismus

Grußwort des Regierenden Bürgermeisters von Berlin Klaus Wowereit am 20. Juli 2012 im Ehrenhof der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in der Stauffenbergstraße, Berlin

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ernst Reuter hat am 20. Juli 1952 die gute Tradition begründet, dass wir uns alljährlich zum Gedenken an die mutigen Frauen und Männer des Widerstands versammeln. Heute setzen wir diese Tradition fort und ich begrüße Sie alle herzlich im Namen des Senats von Berlin zu dieser Feierstunde.

Dies ist einer der zentralen Orte des Gedenkens an nationalsozialistisches Unrecht. Als früherer Sitz des Oberkommandos des Heeres ist der Bendlerblock untrennbar mit dem verbrecherischen Angriffskrieg verbunden, mit dem Deutschland Europa und weite Teile der Welt überzogen hat. Ein Krieg, der Millionen Menschen in den Tod gerissen und den Völkern unendlich viel Leid gebracht hat. Wir denken dabei ganz besonders an die Opfer, die das polnische Volk gebracht hat.

Es ist daher ein besonderer Moment, wenn heute der frühere polnische Botschafter in Deutschland zu uns sprechen wird. Herzlich willkommen, verehrter Herr Reiter!

Wir haben uns im Bendlerblock versammelt, weil er ein Symbol für den Widerstand gegen den Nationalsozialismus geworden ist. Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg arbeitete hier. Ab Juni 1944 war er Chef des Stabes des Befehlshabers des Ersatzheeres. Dadurch hatte er Zugang zu Lagebesprechungen in der Wolfschanze. Diesen Zugang nutzte er am 20. Juli 1944, um ein Attentat auf Hitler zu verüben.

Hitler überlebte. Der Staatsstreich misslang. Claus Schenk Graf von Stauffenberg wurde noch in der Nacht auf den 21. Juli in diesem Hof ermordet, ebenso Friedrich Olbricht, Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim und Werner von Haeften.

So erinnert uns der Bendlerblock daran, dass es Menschen gab, die bereit waren, ihr Leben zu riskieren, um dem verbrecherischen Angriffskrieg und dem Massenmord in den Vernichtungslagern ein Ende zu setzen. Menschen, für die ihr Gewissen über den Befehlen stand.

Auch heute, 68 Jahre nach dem Attentat, stehen die Frauen und Männer des 20. Juli 1944 im Mittelpunkt unseres Gedenkens. Wir denken aber auch an die vielen anderen, die Mitmenschlichkeit in einer Zeit der Unmenschlichkeit bewiesen haben. An den politischen Widerstand von Sozialdemokraten und Kommunisten. An den Widerstand von Christen und Gewerkschaftern. Aber auch an viele einzelne Menschen, die ihre Augen nicht vor den Verbrechen und der alltäglichen Diskriminierung verschlossen, die Juden geholfen haben, obwohl es verboten war. Inge Deutschkron nennt sie „Stille Helden“ – ganz gewöhnliche Menschen, die – wie sie es formuliert – „Großes taten, ohne sich dessen bewusst zu sein.“ Auch an diese Menschen erinnern wir, wenn wir des Widerstands gedenken.

Ja, viel zu viele haben am Unrecht mitgewirkt. Und zu wenige haben sich dem Unrecht widersetzt. Aber die wenigen haben der Welt und den nachfolgenden Generationen durch ihr Handeln vermittelt: Es gab nicht nur Hitler, sondern auch noch ein anderes, ein besseres Deutschland, für das die Würde des einzelnen Menschen im Zentrum steht, und das für ein friedliches Miteinander mit all seinen Nachbarn in Europa eintritt. Das ist das Vermächtnis der Frauen und Männer des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus.

Wir stellen uns der Verantwortung für eine Zukunft, in der nie wieder solches Unrecht geschieht.

Dazu gehört, die Erinnerung an Orte wie diesen wachzuhalten und an die nächste Generation weiterzugeben. Die Gedenkstätte Deutscher Widerstand leistet hier besonders wertvolle Arbeit, die Berlin und der Bund gemeinsam unterstützen.

Sich der historischen Verantwortung zu stellen, heißt aber auch, entschlossen allen Formen von Rechtsextremismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit entgegenzutreten. Dazu zählt Zivilcourage im Alltag ebenso wie ein Verbot der NPD, für das sich Berlin und andere einsetzen.

Und schließlich, auch darin liegt unsere Verantwortung nach der Katastrophe des Nationalsozialismus: Bauen wir weiter an einem Europa, das von friedlicher Nachbarschaft geprägt ist. Und das ist gerade in Zeiten, wo wir eine Krise in Europa haben, ein ganz wichtiges Signal.

Für diese Vision eines friedlichen Europas steht das kleine polnische Dorf Krzyzowa. Im Krieg war es der Treffpunkt einer der wichtigsten Gruppen des Widerstands, des „Kreisauer Kreises” um Helmuth James Graf von Moltke. Heute ist Krzyzowa ein europäischer Ort, in dem sich Jugendliche unterschiedlichster Herkunft zu Austausch und Begegnung treffen. Dies ist ein wunderbares Beispiel, wie in jüngeren Generationen erinnert wird an die Vergangenheit und Sorge getragen wird für eine friedliche, für eine gemeinsame Zukunft.

Ernst Reuter sagte in seiner Rede am 20. Juli 1952: „Ihr Werk ist nicht vergeblich gewesen.“

Wir verneigen uns vor den aufrechten Frauen und Männern des Widerstandes.







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