Einleitung ökumenischer Gottesdienst
Gedenkstätte Plötzensee am 20. Juli 2020 um 9:00 Uhr anlässlich des 76. Jahrestages des 20. Juli 1944
PER LIVESTREAM (ohne Publikum)
– Pater Karl Meyer OP –
Wir sind beisammen im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Liebe Schwestern und Brüder!
Verehrte Angehörige der Frauen und Männer, die unter der Terrorherrschaft des Dritten Reiches hier ihr Leben verloren!
Superintendent Carsten Bolz und ich begrüßen Sie sehr herzlich. Wir stehen hier im Hinrichtungsschuppen Plötzensee, aber wir sind nicht allein. Daran ändern auch die öffentlichen Anordnungen nichts, die uns dieses Jahr so sehr einschränken. Anwesenheit und Gegenwart sind nicht dasselbe. Gegenwart ist eine Sache des Herzens, Anwesenheit eine Sache des Leibes. Das Herz ist entscheidend. Plötzensee ist bei Ihnen nie vergangen, sondern gehört zu Ihrem Leben, berührt Ihr Herz, und so sind Sie hier gegenwärtig.
Plötzensee steht für den ganzen Herrschaftsbereich der Nationalsozialisten. Europaweit spielten sie sich auf als Herren über Leben und Tod – und wollten in ihrem Wahn noch mehr: „Heute gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt.“ Weltweit ist aber nur einem die Vollmacht gegeben, unser innerstes Herz anzusprechen und zu berühren, Jesus, dem Christus. Ihm antworten wir gern in aller Freiheit. Das wird an Dietrich Bonhoeffer sehr deutlich. ER war kurz vor Ausbruch des Krieges in Amerika, und Freunde rieten ihm dort zu bleiben. Aber er wusste sich unter Gottes Wort gestellt, sah sich von Gott gerufen, mit Jesus Christus im Reich des Todes zu leben, ja zu sterben und aufzuerstehen. Nicht wenige standen auf ähnliche Weise vor der Frage: Gehen oder bleiben, schweigend mitmachen oder sich gegen das Mordregime empören und verschwören. Sie lernten in inneren Kämpfen: Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen. So wurde das Wort Gottes, das Gerechtigkeit bezeugte, hier in Plötzensee anschaubar, wie es zuvor auf Golgotha anschaubar war.
Das Wort Gottes spricht immer in die Gegenwart. Auch wir müssen deswegen in Plötzensee sein, nicht nur aus guter Tradition, sondern weil auch wir unter dem Wort Gottes stehen. In großer Freude haben wir in den vergangenen Jahren das Herrenmahl gefeiert. Heute steht das Wort des Herrn ganz im Vordergrund. Das Wort Gottes in Plötzensee bleibt gefährlich. Denn es fordert Konsequenzen. Analog zum äußerst kritischen Wort des Apostels Paulus über die Feier des Herrenmahls in Korinth müssen wir uns heute sagen lassen: Wer die Feier des Wortes zum Ritual verkommen lässt, der spricht und hört sich das Gericht. Wie aber in der Zeit der körperlichen Pandemie und mehr noch der weltweiten geistigen Pandämonie, in der Menschen sich nach Gutdünken Götter schaffen, das Wort des wahren Gottes ausrichten? Einfach moralisieren hat nie besonders geholfen. Wenn es aber an die Substanz geht, Woher die Kraft dazu nehmen?
Gott verlangt nichts Unmögliches. Wo er nicht gesät hat, da erwartet er auch keine Ernte. ER beschenkt uns deswegen zuerst durch seine leibhafte Zusage mit ewig bleibenden Leben, das durch uns weiterströmen will in die Welt. Er beschenkt uns zudem mit dem Zeugnis der Märtyrer von Plötzensee. Das dürfen wir in dieser Stunde in uns Wurzel schlagen lassen, ja wir müssen es sogar, denn ohne Jesus können wir nichts tun. Mit Ihm aber kann auch heute lebendiges Zeugnis für den Gott des Lebens in unserer Mitte erwachsen. Wir können Klarsicht gewinnen über die Kultur des Todes, die sich besonders im reichen Norden der Welt ausbreitet, Weitsicht zu den Völkern, die im Schatten des Todes hausen müssen, und Entschiedenheit zum Teilen mit den Bedürftigen. Die Grundlage zum rechten Handeln möge ER uns geben.
Gebet:
Wir wollen den dreieinigen Gott ehren und ihn anrufen:
- Gott, ewiger Vater, so sehr hast du die Welt geliebt, dass Du deinen ewigen Sohn gesandt hast, um die Welt aus der Macht des Todes zu retten. Herr erbarme dich
- Herr Jesus, Sohn des lebendigen Gottes, Du hast unser menschliches Leben geteilt und für uns dein Leben hingegeben. Herr erbarme dich
- Gott heiliger Geist, wunderbare Gabe Gottes, uns geschenkt, damit wir als Liebende neue und unsterbliche Menschen werden. Herr erbarme dich
Treuer Gott,
du hast den Märtyrern von Plötzensee den Mut gegeben,
Jesus Christus zu bekennen
und diesen Glauben bis in den Tod zu bezeugen.
Mach uns bereit,
Rechenschaft abzulegen von der Hoffnung, die uns erfüllt
und so deinem Sohn nachzufolgen,
der in der Einheit des Heiligen Geistes mit dir lebt und liebt jetzt und in Ewigkeit.
Amen.