Grußwort
Feierstunde der Bundesregierung und der Stiftung 20. Juli 1944
am 20. Juli 2025 um 11:00 Uhr in der Gedenkstätte Plötzensee, Berlin, anlässlich des 81. Jahrestages des 20. Juli 1944
- Kai Wegner, Regierender Bürgermeister von Berlin -
Es gilt das gesprochene Wort.
Das ehemalige Gefängnis Plötzensee - die heutige Gedenkstätte Plötzensee - ist ein Ort, der für die Untaten der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft steht.
In jedem Jahr versammeln wir uns, um der Menschen zu gedenken, die ihrem Gewissen folgten und die hier ermordet wurden. In dieses Gedenken schließen wir alle ein, die Widerstand gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft geleistet haben.
Widerstand erforderte großen Mut. Wer Widerstand leistete, begab sich und seine Familie in Lebensgefahr: Man musste Denunziation und Überwachung durch die Geheime Staatspolizei fürchten. Es drohten Entrechtung, Konzentrationslager, Sippenhaft und Ermordung.
Doch trotz dieser Gefahren fanden viele sehr verschiedene Menschen den Mut zum Widerstand: Unter ihnen waren Soldaten und Zivilisten, Menschen aus der Arbeiterbewegung und aus dem Bürgertum, Gläubige verschiedener Konfessionen, Gruppen und Einzelne, aus dem Untergrund und aus dem Exil – wie Willy Brandt, dessen wir heute besonders gedenken.
Diese Frauen und Männer wagten es, für ihre politischen, religiösen und moralischen Ideale ihr Leben einzusetzen. Auch viele Gegner des Nationalsozialismus aus anderen Ländern waren unter ihnen. In Plötzensee waren auch zahlreiche Widerstandskämpfer aus besetzten Ländern inhaftiert. Viele von ihnen wurden ermordet.
Erst vor knapp zwei Wochen habe ich gemeinsam mit dem tschechischen Staatspräsidenten hier der in Plötzensee ermordeten hunderten Tschechen gedacht. Das zeigt, dass Plötzensee als Ort des Gedenkens auch eine über Deutschland hinausgehende Bedeutung hat.
Meine Damen und Herren,
diejenigen, die Widerstand leisteten, traten ein für die Beendigung des Krieges. Sie wollten, dass die Kriegsverbrecher bestraft werden.
Die Widerstandskämpfer forderten das Ende der Judenverfolgung und die Auflösung der Konzentrationslager. Sie kämpften für die Überwindung des Unrechtsstaats, ja für die Menschenrechte. Sie kämpften für Freiheit und Frieden.
Trotz dieser Ziele mussten die Frauen und Männer des Widerstands befürchten, als Verräter angesehen zu werden. Denn es hätte zu einer zweiten „Dolchstoß-Legende“ kommen können. Und tatsächlich gab es in der frühen Bundesrepublik Stimmen, die die Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime ablehnten. Das galt für den militärischen Widerstand. Und das galt aber noch mehr für den Widerstand aus der Arbeiterbewegung.
Doch heute besteht ein breiter gesellschaftlicher Konsens, dass die Widerstandskämpfer Helden, Vorbilder und in bestem Sinne Patrioten waren. Sie entschieden sich eben auch aus Liebe zu Deutschland, ja, auch aus Pflichtbewusstsein für den Widerstand gegen das nationalsozialistische Terrorregime.
Meine Damen und Herren,
am 20. Juli 1944 scheiterte der Widerstand. Und trotzdem, trotz seines Scheiterns, war der Widerstand nicht vergeblich:
Die Widerstandskämpfer haben aller Welt bewiesen, dass es auch ein „anderes Deutschland“ gab. Es war der Versuch der Selbstbefreiung von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft! Dieser Versuch einer deutschen Selbst-Befreiung ist ein Wert an sich - auch wenn letztlich die Diktatur erst von außen besiegt werden konnte.
Der 20. Juli 1944 war einer der bedeutendsten Tage in der jüngeren Geschichte unseres Landes. Denn die Werte, für die die Widerstandskämpfer eingetreten sind, überdauern ihren Tod. Sie wirken bis heute fort: In unserem Grundgesetz, in unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung.
Ich verneige mich vor den Frauen und Männern des Widerstands gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft.
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