Ansprache Feierstunde (dt.)

(Übersetzung aus dem Englischen)


Ansprache
Feierstunde der Bundesregierung und der Stiftung 20. Juli 1944 am 20. Juli 2022 um 15:00 Uhr in der Gedenkstätte Plötzensee, Berlin, anlässlich des 78. Jahrestages des 20. Juli 1944


-  Swetlana Tichanowskaja -


Kleine Handlungen, die Mut erfordern


Exzellenzen,
Sehr geehrte Frau Präsidentin des Deutschen Bundestages,
sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
sehr geehrte Frau Ministerin Lambrecht,
sehr geehrte Frau Staatssekretärin Hajduk,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Lederer,
sehr geehrte Mitglieder des Deutschen Bundestages und der Landtage,
sehr geehrter Herr Professor von Steinau-Steinrück,
liebe Familien der am Attentatsversuch des 20. Juli beteiligten Männer und Frauen,
liebe Freunde,


vielen Dank für die freundlichen einleitenden Worte.


Hier und heute spüre ich das Gewicht der Geschichte. Bei dem Gedanken, dass nur ein paar Schritte von hier fast dreitausend Menschen hingerichtet wurden, wird mir übel.


Als ich heute durch das Gefängnis ging, fühlte ich mich ganz klein. Mein Herz begann schneller zu schlagen. Ich dachte daran, dass mein Mann Sergej sich ähnlich gefühlt haben muss, als er zum ersten Mal in den Innenhof des Gefängnisses von Zhodino kam.


Übelkeit – so muss sich Tapferkeit anfühlen. Dieser Geschmack auf der Zunge, wenn man sich bewusst der Gefahr stellt. Mit offenen Augen und erhobenen Hauptes einen Gefängnishof betritt.


So fühlt sich Mut an.


Wie einige von Ihnen bereits sagten, leben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser Veranstaltung in einer freien Gesellschaft. Das war nicht immer so. Daran erinnert uns dieser Ort. Beim gestrigen Besuch des Museums im Bendlerblock haben mich die zahlreichen Geschichten Deutscher beeindruckt, die den Nazis getrotzt haben.


Ich hingegen komme aus einer unfreien Gesellschaft. In meinem Land gibt es zurzeit 1.254 Menschen, die als politische Gefangene anerkannt sind. Das sind über 130 Gefangene pro Million Einwohnerinnen und Einwohner. Über 5.000 Menschen werden gegenwärtig wegen politisch motivierter Straftaten verfolgt.


Politische Gefangene werden von anderen isoliert. Sergej hat bereits zwei Jahre in Einzelhaft verbracht. Genau jetzt befindet er sich in einer Strafzelle. Er hat keinerlei persönliche Gegenstände bei sich, er kann keine Bücher lesen oder Briefe schreiben. Sein Bett besteht aus einem Stück Metall mit einer hölzernen Auflage. Er hat weder eine Matratze noch Bettwäsche. Obwohl es in seiner Zelle nachts kalt ist, wird ihm nur ein Satz Sommerkleidung gewährt. Er kann heute nicht zu uns sprechen, aber ich bin sicher, dass er sagen würde, dass sich Mut für ihn anfühlt wie die stickige Luft in seiner Strafzelle.


Aber die Belarussinnen und Belarussen sind auch außerhalb der Gefängnisse voneinander isoliert. Isoliert durch die Angst vor Verfolgung aufgrund ihrer Einstellung, Äußerungen oder ihres Kleidungsstils. Das ganze Land steht unter Überwachung. Einige versuchen, durch die Wälder und Sümpfe aus diesem Polizeistaat zu fliehen. Doch wenn sie aufgegriffen werden, droht ihnen Folter.


Heute bin ich hier, um im Namen derer zu sprechen, die so zum Schweigen gebracht wurden. Im Namen von Sergej und im Namen von Marya Kalesnikawa. Im Namen des 18-jährigen Pawel Piskun, den man diese Woche zu drei Jahren Haft verurteilt hat, weil er auf Telegramm-Kanälen Fotos von russischen Truppen veröffentlicht hatte. Ich bin hier, um im Namen der Tausenden von Menschen zu sprechen, die wegen ihrer Zivilcourage leiden müssen, und im Namen tausend Weiterer, die die Angst lähmt. Ich habe in einer Schreckensherrschaft gelebt und weiß, wie sie einen der Stimme berauben kann.


In den 1940er Jahren bewahrten die deutschen Widerständlerinnen und Widerständler ihre Menschlichkeit im Angesicht des Bösen. Und ja, das Böse jener Zeit war viel größer als das, mit dem die Belarussinnen und Belarussen heute konfrontiert sind. Dennoch ist der Mut, den sie in ihrem Kampf heute beweisen, nicht minder beeindruckend. Zivilcourage ist zeitlos – und kennt keine Grenzen.


Die Geschichte des deutschen Widerstands lehrt uns, dass kleine mutige Handlungen einiger Weniger den Weg zu Freiheit und Frieden für Alle ebnen können.


Während des Zweiten Weltkriegs führte der deutsche Widerstand einen geheimen Krieg gegen die Nazis. Das war keine organisierte Massenbewegung. Das war die Summe tausender kleiner Handlungen der Menschlichkeit einzelner Deutscher. Der Attentatsversuch vom 20. Juli ist hierfür vielleicht das bekannteste Beispiel. Nach meinem Empfinden brauchte es aber für die kleineren, unauffälligeren Handlungen nicht weniger Mut.


Die Mitglieder des deutschen Widerstands kamen aus allen Bereichen der Gesellschaft: Sie waren Arbeiterinnen und Arbeiter, Studentinnen und Studenten, Lehrerinnen und Lehrer und Priester. Sie waren Intellektuelle sowie Künstlerinnen und Künstler. Einige von ihnen waren Offiziere. Ich möchte hier gerne auf die Geschichte einer Widerständlerin eingehen, Elisabeth von Thadden, die mich besonders beeindruckt hat.


Elisabeth wurde in Ostpreußen geboren und gründete später eine Mädchenschule. Dort wurden sowohl christliche als auch jüdische Mädchen unterrichtet. Auch nach der Machtergreifung der Nazis nahm Elisabeth neben den christlichen Mädchen weiter jüdische Schülerinnen auf. Nach der Schließung ihrer Schule unterstützte sie jüdische Familien: Sie sammelte Essensmarken und half jüdischen Familien bei der nächtlichen Flucht. Sie setzte ihr Leben auf Spiel, um andere zu retten, denn jede Essensmarke, die sie weitergab, trug ihren Namen. Jede Essensmarke bedeutete eine kleine Hilfe für eine jüdische Familie und gleichzeitig ein großes Risiko für Elisabeth. Jede Essensmarke stand für ihren Mut. Am 1. Juli 1944 wurde Elisabeth wegen Verschwörung zum Hochverrat zum Tode verurteilt.


Sie opferte alles, um bei der Auflehnung gegen ein schreckliches Regime menschlich zu bleiben. Ihre Geschichte erzählt von Menschlichkeit und Mut.


Heutzutage prägen kleine Handlungen der Menschlichkeit und des Muts auch den belarussischen Kampf für die Freiheit.


Ich erinnere mich an meinen ersten Besuch in Berlin im Oktober 2020. Ich hatte das Gefühl, dass die Freiheit meines Landes kurz bevorstand: Jedes Wochenende gingen Hunderttausende auf die Straßen. Frauen, Männer, Studierende, Arbeiterinnen und Arbeiter, Großeltern und sogar Kinder protestierten gegen die gestohlene Wahl und forderten ihre Rechte ein. Die Gewerkschaften planten Streiks. Frauen veranstalteten ihre eigenen Protestmärsche. Sicherheitsbedienstete gaben ihre Stellen im Staatsdienst auf. Wir alle glaubten, dass der Zusammenbruch des Regimes kurz bevorstand.


Wir hofften, dass unsere Landsleute aus den Gefängnissen entlassen würden – aber stattdessen wurde unser ganzes Land zu einem Gefängnis. Es sollte sich herausstellen, dass unser Kampf länger andauern würde. Die eben erwähnten Männer und Frauen sind in den Untergrund gegangen. Aber dennoch: Jede Woche erfahren wir von kleinen Akten der Auflehnung: Graffiti an einem öffentlichen Gebäude, das Auftauchen einer weiß-rot-weißen Fahne, ein „Stoppt den Krieg“-Aufkleber auf einem Straßenschild.


 In Zeiten wie diesen, in denen man wegen der hohen Risiken nicht mehr zu größeren Demonstrationen aufrufen kann, sind dies kleine Handlungen, die Mut erfordern.


Das Regime ist heute so repressiv wie nie zuvor. Erst vor zwei Monaten unterzeichnete der nicht legitimierte Präsident Lukaschenko ein Gesetz, wonach Menschen, denen man den „Versuch eines Terrorakts“ vorwirft, hingerichtet werden können. Das Regime führt auch eine Liste sogenannter Terroristen. Diese wird von Tag zu Tag länger. Sie umfasst jetzt schon 870 Namen. Auch Marya Kalesnikawa, mein Mann und ich stehen auf dieser Liste.


Deutschland, Du hast uns mit dem Karlspreis gewürdigt! Das belarussische Regime würdigt uns mit einer Todesdrohung.


Vor zwei Wochen wurde zusätzlich zu Marya und mir eine junge Studentin auf die Liste gesetzt. Sie heißt Danuta und ist erst 20 Jahre alt. Danuta ist eine kluge und eifrige Studentin. Sie postete eine Nachricht, in der sie den Krieg verurteilte und zu einem friedlichen Protest aufrief. Sie wurde zu 6,5 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.


Und dennoch geben die Belarussinnen und Belarussen nicht auf.


Seit dem Ausbruch des Kriegs gegen die Ukraine stehen sie erneut für das ein, was sie für richtig halten. Die überwiegende Mehrheit der Belarussinen und Belarussen – 85 Prozent – lehnt eine militärische Beteiligung des Landes am Krieg ab. Über 500.000 Flugblätter gegen den Krieg wurden von Belarussinnen und Belarussen verteilt. Über 40 Fahrzeuge, Tausende Schutzwesten, Arzneimittel, Medizinprodukte und Hygieneartikel haben sie für unsere Freiwilligen an der Front gespendet. Belarus ist nicht so wohlhabend wie Deutschland. Aber Menschen mit einem mitfühlenden Herz werden immer etwas finden, das sie anderen geben können.


Ich bin tief beeindruckt von den belarussischen Partisaninnen und Partisanen und ihren Sabotageaktionen gegen die russische Armee. In einem Akt der Auflehnung hackten sie Internetseiten des Regimes und sabotierten Eisenbahnstrecken. Die belarussischen Partisanen taten alles, was in ihrer Macht stand, um Waffenlieferungen zu verzögern. Bei keinem dieser Akte der Auflehnung wurde Gewalt angewandt, und dennoch schossen Polizisten drei von ihnen aufgegriffenen Partisanen in die Knie. Ihren Mut müssen sie nun möglicherweise mit der Todesstrafe bezahlen.


Ich bin tief beeindruckt von den Hunderten belarussischen Freiwilligen, die die Ukraine mit ihrem Leben verteidigen. Etwa 1.500 belarussische Freiwillige kämpfen in der ukrainischen Armee und bringen unvorstellbare Opfer. Am 26. Juni wurde der HELD des belarussischen Kalinoŭski-Regiments Brest[1] bei Kämpfen getötet. Er hatte seinen ukrainischen und belarussischen Waffenbrüdern Deckung gegeben. Als er sich den Feinden in den Weg stellte, wurde er umgehend von einer Kugel getötet. Vor einigen Tagen wurden die Namen und Adressen der Familienangehörigen von Brest und anderen Freiwilligen in regimetreuen Medien veröffentlicht, um diese zu schikanieren und drangsalieren. Selbst nach dem Tod Brests und anderer Freiwilliger hört der belarussische Geheimdienst KGB nicht auf, Jagd auf dessen Angehörige und andere Familien zu machen, um Rache zu üben.


Ich bin tief beeindruckt vom belarussischen Volk, das seine Solidarität mit der Ukraine unter Beweis stellt. Insgesamt wurden über 2.100 Menschen aufgrund ihrer Auflehnung festgenommen oder inhaftiert.


Eine von ihnen ist die 60-jährige Alla Korolenko. Alla wollte sich auch für Kinder einsetzen. Im Juni entschied sie sich dazu, eine „Geburtstagsparty“ für Kinder ukrainischer Geflüchteter auszurichten. Auf der Feier sollte es Spielzeug und Geschenke für ukrainische Kinder geben. Die Behörden waren jedoch der Ansicht, dass es sich dabei um eine „illegale“ Veranstaltung handelte. Die Feier wurde aufgelöst und Alla festgenommen.


Eine weitere mutige Belarussin ist Irina Kapilova. Im Februar befestigte Irina blaue und gelbe Bänder an ihrem Auto, um so ihre Solidarität mit der Ukraine zum Ausdruck zu bringen. Einige Monate später wurde Irina zum Polizeirevier bestellt, wo ein Polizeibeamter sie aufgrund haltloser Beschuldigungen in eine Zelle sperrte. Sie wurde fast einen Monat lang gefangen gehalten, bevor die belarussischen Behörden sie nach Litauen deportierten.


Die Geschichten von Alla und Irina erinnern uns daran, wie riskant Mut ist. Trotz dieser Risiken kämpfen belarussische Männer und Frauen weiterhin für ihre Freiheit und die der Ukraine. Vor wenigen Tagen veranstaltete eine Gruppe belarussischer Mütter einen Flashmob, um gegen den Krieg zu protestierten. Dafür verteilten sie die Stofftiere ihrer Kinder in den Straßen des Landes. In der Nähe der Kuscheltiere hinterließen sie kleine Zettel mit der Aufschrift „Wir unterstützen diesen Krieg nicht!“. Als diese Mütter ihren Flashmob durchführten, war ihnen bewusst, dass ihnen eine Festnahme drohte.


Belarussische und deutsche Bürgerinnen und Bürger wissen, dass jede mutige Handlung, und sei sie noch so klein oder unauffällig, etwas bewirken kann. Jede mutige Handlung ist ein kleiner Schritt in Richtung Freiheit. Wenn Millionen von Menschen mutig handeln, können wir einen weiten Weg zurücklegen.


Und ich freue mich, dass wir diesen Weg nicht alleine gehen. Ich danke den Deutschen für ihre Hilfe. Sie haben sich geweigert, das unrechtmäßige Regime anzuerkennen. Sie haben seine Schergen mit gezielten Sanktionen belegt. Sie haben belarussische Geflüchtete in Ihrem Land willkommen geheißen. Ich erinnere mich an mein erstes Gespräch mit Kanzlerin Angela Merkel. Sie hörte mir geduldig zu und gab mir anschließend einen Rat, den ich nicht vergessen werde: Sie riet mir, geduldig zu sein und dabei nie den Glauben an unser Ziel zu verlieren. Ich erinnere mich daran, dass ihre Stimme voller Mitgefühl und Verständnis war, da sie meinen Schmerz teilte.


Wir haben nie den Glauben an unseren Kampf verloren. Und wir haben in den letzten Jahren viel gelernt:


Erstens: Diktaturen gedeihen, wenn Demokratien nicht wachsam sind. Den Europäerinnen und Europäern dämmerte: „Es ist Krieg in Europa!“, denn eins hatten sie gänzlich verschlafen: „Es gibt Diktaturen in Europa!“. Ich hoffe, dass mittlerweile deutlich geworden ist, dass Frieden in der Ukraine und in Europa nur dann möglich ist, wenn Belarus keine Diktatur mehr ist. Und auch umgekehrt: Es kann keine Freiheit für Belarus geben ohne Freiheit für die Ukraine. Es kann keine Sicherheit für die Ukraine geben, solange in ihrem Nachbarland ein von Putin unterstützter Diktator herrscht. Und es kann keinen Frieden in Europa geben ohne Frieden in der Ukraine. Wir alle sind Teil eines globalen Kampfs gegen autoritäre Regime. Und wir können nur gewinnen, wenn wir zusammenstehen und das Ziel nicht aus den Augen verlieren.


Zweitens: Diktatoren lassen sich nicht beschwichtigen oder umerziehen. Wir wissen, wie die Appeasement-Versuche 1938 endeten. Wir haben die freie Welt gewarnt, diese Fehler nicht erneut bei Putin oder Lukaschenko zu begehen. Diktatoren wissen, dass Demokratien einen unsicheren Frieden einem beständigen Kampf vorziehen. Es hat Monate gedauert, bis die europäischen Demokratien unter Beweis stellten, dass auch sie Zähne zeigen können.


Drittens – und das ist die wichtigste Lektion: Wahre Veränderungen sind das Produkt von Millionen kleiner Handlungen, die Mut erfordern. Die Belarussinnen und Belarussen haben gezeigt, wie mächtig Zivilcourage in autoritären Regimen sein kann. In der aktuellen Situation reicht der Mut Vieler jedoch nicht aus, um Frieden in der Ukraine und in Belarus zu erlangen und den Frieden in Europa zu schützen – wir brauchen den Mut Aller, von den deutschen Bürgerinnen und Bürgern bis zum Kanzler. Sie alle müssen den Mut haben, Mitgefühl zu zeigen. Politikerinnen und Politiker müssen den Mut aufbringen, auch dann für ihre Überzeugungen einzustehen, wenn das Scheinwerferlicht der Medien nicht auf sie gerichtet ist. Die Bürgerinnen und Bürger müssen den Mut aufbringen, politischen Gefangenen einen Brief zu schreiben, eine höhere Gasrechnung in Kauf zu nehmen und die Verantwortung für diejenigen zu übernehmen, die gefühlt so weit weg sind.


Glücklicherweise bietet uns die Geschichten Vorbilder, die uns inspirieren und leiten können. Und heute geht es darum, diese Vorbildern zu feiern.


Ich bewundere, wie sehr die Deutschen ihrer Geschichte und ihren wahren Heldinnen und Helden gedenken und ihre Freiheit schätzen. Ich möchte meine Rede gerne mit einer letzten Geschichte beenden, die mich am gestrigen Tage beeindruckt hat. Als Mutter hat mich diese Geschichte besonders tief berührt. Liane Berkowitz war eine junge deutsche Widerstandskämpferin, die Ende 1942 festgenommen wurde. Liane wurde zum Tode verurteilt, als sie mit einem kleinen Mädchen schwanger war. Nachdem sie ihre Tochter in der Haft zur Welt gebracht hatte, wurde diese ihrer Großmutter übergeben. Liane wurde daraufhin nach Plötzensee gebracht. Dort wurde die junge Mutter nur zwei Tage vor ihrem 20. Geburtstag hingerichtet.


Trotz des Schreckens und der Angst schöpften Heldinnen und Helden wie Berkowitz den Mut, sich der Gewaltherrschaft zu widersetzen. Kurz vor ihrem Tod schrieb Liane ihrer Mutter einen Brief. Darin schrieb sie, sie fürchte sich „nicht vor dem Tode“. In der Liebe für ihre Tochter fand Liane Frieden. Sie fand Frieden in dem Glauben, dass ihre Tochter in einer besseren Welt leben würde. Die Vorstellung, ihrem Kind eine friedliche Zukunft zu ermöglichen, bewog sie dazu, mutig zu handeln.


Auch ich kämpfe für meine Kinder. Die täglichen mutigen Handlungen meines 12 Jahre alten Sohns inspirieren mich. Jedes Mal, wenn seine sechsjährige Schwester fragt, wo ihr Vater ist, antwortet ihr Bruder: „Auf einer Dienstreise“. Er weiß, dass sein Vater im Gefängnis sitzt.


Aber er beschützt seine Schwester.


Ich hoffe, dass meine Kinder eines Tages nicht mehr so mutig handeln müssen. Ich hoffe, dass sich Mut für sie nicht wie die stickige Luft einer Gefängniszelle anfühlen wird oder dass er sie an das Gefühl der Übelkeit erinnern wird, dass einen beim Gang durch den Innenhof eines Gefängnisses überkommt. Stattdessen wünsche ich mir, dass sie Mut mit etwas Freudigem und Herausforderndem verknüpfen werden. Ich hoffe, dass ihre kleinen mutigen Handlungen dazu dienen werden, eine bessere Zukunft für sich selbst und die nachfolgenden Generationen zu schaffen.


Doch dafür dürfen wir nicht die Vergangenheit vergessen.


Dank euch allen!
Shiwe Belarus!
Lang lebe Belarus!


[1] Am 26. Juni wurde der Bataillonskommandeur des belarussischen Freiwilligenregiments "Kastuś Kalinoŭski" Iwan Martschuk, Rufzeichen „Brest“, in Gefechten um die Stadt Lyssytschansk getötet.

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