Wir wollen sie nicht vergessen.

Ernst Schäder

Wir wollen sie nicht vergessen.

Ansprache von General Ernst Schäder am 20. Juli 1968 im Ehrenhof der Gedenk- und Bildungsstätte Stauffenbergstraße, Berlin

Verehrte Anwesende,

auch in diesem Jahr ist an diesem für unsere jüngste Geschichte so bedeutungsvollen Tag die Bundeswehr hier an dieser ehrwürdigen Gedenkstätte durch eine Abordnung vertreten, um erneut ein Bekenntnis zu den Männern und Frauen des 20. Juli abzulegen und ihnen zu danken.

Wer wie ich zum ersten Mal nach 1945 wieder in Berlin ist und an dieser geweihten Stelle steht, der ist tief ergriffen und vor dessen Auge erscheinen die Männer, die er persönlich kannte und mit denen er zusammengearbeitet hat. Ich kann nicht anders, als in tiefer Trauer an sie zu denken; Trauer vor allem darüber, dass sie nicht mehr unter uns sind, die sie so notwendig gebraucht würden.

Und wenn ich jetzt drei Namen für alle nenne, so deshalb, weil sie meine unmittelbaren Vorgesetzten während des Krieges waren, die mich entscheidend beeinflusst haben:

Generalmajor Helmut Stieff

Generalleutnant Gustav Heistermann von Ziehlberg

Oberst Joachim Meichssner.

Sie haben in mir und vielen anderen schon frühzeitig das Bewusstsein bestärkt, dass die damaligen Machthaber in Deutschland in gottlosem Hochmut dem Machtrausch verfallen waren und das ganze Volk ins Verderben führten. Dass diese Machthaber in ihrer moralischen Bindungslosigkeit sich hinter dem Rücken der Öffentlichkeit an den primitivsten Gesetzen der Menschlichkeit vergingen und unseren Namen schändeten.

Die Männer und Frauen des 20. Juli sind die unerbittlichsten Mahner unseres Gewissens. Hier an diesem Ehrenmal sind ihre Augen durchdringend auf uns gerichtet. Von jenseits der Grenze, die sie überschritten haben, hören wir ihre Frage:„Wisst Ihr, was Ihr uns schuldig seid?“

Unsere Antwort muss eine doppelte sein: „Wir wollen Euch nicht vergessen, die Ihr eins wart in der Liebe zu Euren Familien, zu unserer Heimat und zu unserem Volk und die ihr dafür alles gegeben habt. Und wir wollen nicht überhören, dass Euer Sterbenmüssen uns kategorisch gebietet: Gott mehr zu gehorchen als den Menschen.”

Wir wollen sie nicht vergessen und wir dürfen sie um unser selbst Willen nicht vergessen, besonders wir Soldaten der Bundeswehr nicht. Das geschieht am besten dadurch, dass wir unseren jungen Soldaten immer wieder sagen, wie die Männer und Frauen des 20. Juli zu ihrer Haltung und zu ihrem Handeln gekommen sind. Nur wer den Gesamtzusammenhang kennt, kommt zur richtigen Beurteilung ihrer Tat. Nur wer weiß, dass es bei vielen von ihnen Jahre gedauert hat, bis sie in den Kreis der Handelnden getreten sind, sieht sie richtig. Ich kann bestätigen, dass wir darin in der Bundeswehr viel erreicht haben. Im Angesicht dieses Ehrenmales, im Angesicht der Männer und Frauen des 20. Juli spreche ich daher erneut aus:

Wir Soldaten der Bundeswehr stehen in Ehrfurcht vor Euch.

Wir bekennen uns zu Eurer Tat und sehen in Euch unser Vorbild.

Wir danken Euch für Euer Opfer, das uns einen neuen Anfang ermöglicht hat.

In dieser Gesinnung legen wir den Kranz dar Bundeswehr nieder.







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20.07.1968
Prof. Dr. Ernst Steinbach
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