Christlicher Glaube und Weltverantwortung

INCLUDEPICTURE "file:///G:/Stiepani/Bilder/LOGO_GDW.jpg" \* MERGEFORMATINET INCLUDEPICTURE "file:///G:/Stiepani/Bilder/LOGO_GDW.jpg" \* MERGEFORMATINET Gedenkstätte Deutscher Widerstand

Nikolaus Schneider

Christlicher Glaube und Weltverantwortung

Rede von Nikolaus Schneider, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, am 19. Juli 2008 in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin aus Anlass der Eröffnung der Ausstellung "Zukunft will verantwortet werden"

Ist es möglich, die Bergpredigt ganz Ernst zu nehmen und gleichzeitig die Ermordung eines verbrecherischen Tyrannen zu betreiben? Dürfen Christinnen und Christen sich an Konspiration und politischem Widerstand beteiligen?

Diese Fragen bewegten Kirchen und Christenmenschen durch die Jahrhunderte bis auf diesen Tag. Sie waren besonders brisant für einen deutschen Protestantismus, der über Jahrhunderte die Verbindung von Thron und Altar pflegte – oder besser: darin gepflegt wurde - und in der Folge darin gefangen war, so dass er sich zu politischem Widerstand nicht berechtigt sah.

Staatliche Übergriffe in die Kirche hinein abwehren – dazu waren viele bereit. Aber die staatliche Ordnung durch Ermordung des „Führers Adolf Hitler“ umzustürzen – das schien undenkbar zu sein.

Dietrich Bonhoeffer hat seine Antwort auf diese Fragen, sein „Ja“ zu politischem Widerstand und zu Tyrannenmord theologisch bedacht und mit seinem Leben verantwortet. Er vermochte es, seine Theologie im Kontext des realen, konkreten Lebens seiner Zeit zu formulieren. Tiefe Einsicht in das Geschehen seiner Zeit –seine Familie ermöglichte ihm dies auf einzigartige Weise – und profunde theologische Kenntnisse zeichneten ihn dabei aus.

Für Dietrich Bonhoeffer repräsentierte der gekreuzigte Christus – nicht der triumphierende Christus! – die Gegenwart Gottes in unserer Welt. Die Leiden des Gekreuzigten hatten für ihn einen unmittelbaren Bezug zu den Leiden der Menschen in den Folterkammern und Konzentrationslagern des Nazi-Regimes. Mit ganz wenigen anderen in seiner Zeit hat er dabei erkannt, dass der leidende Christus nicht vom Juden Jesus von Nazareth abgespalten werden darf. Deshalb erwartete er – leider vergeblich – das "Schreien seiner Kirche für die Juden und Jüdinnen".

Der Glaube an Gott und das Leben in der Nachfolge Christi waren für Dietrich Bonhoeffer deshalb nur im Modus von Weltverantwortung und aktiver politischer Teilhabe möglich. „Beten und Tun des Gerechten“ kennzeichnen christliche Existenz.

Dietrich Bonhoeffer entschied sich in christlicher Freiheit dazu, durch Tyrannenmord schuldig zu werden. Dieser war ihm unbedingt geboten angesichts der großen Schuld, Hitlers verbrecherischem Agieren keinen Einhalt zu gebieten. Dabei hoffte er ganz gewiss und zuversichtlich auf Gottes Gnade für sein Tun.

In christlicher Demut nahm Dietrich Bonhoeffer in Kauf, dass viele seiner kirchlichen Weggefährten sein Vorgehen ablehnten und kirchliche Leitungsorgane sich von ihm distanzierten. Er musste es erdulden, dass auch die Bekennende Kirche ihn von ihren Fürbittlisten strich.

In unerschütterlichem Vertrauen auf Gottes Gegenwart nahm er die Konsequenzen seiner Entscheidung auf sich. Er wurde so zum christlichen Märtyrer, dessen Glaubenszeugnis über die Grenzen von Konfession und Religion Menschen prägt und zu einem „evangelischen Heiligen“.

Das Evangelische Büro bei Landtag und Landesregierung des Landes Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf und die es tragenden Landeskirchen in NRW – also Rheinland, Westfalen und Lippe, für diese Kirchen spreche ich heute – haben 2006 zum einhundertsten Geburtstag Dietrich Bonhoeffers eine Ausstellung im Landtag präsentiert, die von Herrn Schlingensiepen und Kirchenrat Krebs erarbeitet wurde. Sie ist nun von Düsseldorf nach Berlin gegangen und wird heute in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand eröffnet.

Diese Ausstellungseröffnung am Vortage des Gedenkens der Widerständler des 20. Juli 1944 erinnert daran, dass Dietrich Bonhoeffer diesem Kreis hinzu zu rechnen ist und dass der bürgerliche Widerstand seine Kraft auch aus der Weltverantwortung des christlichen Glaubens gewann. Schließlich sei darauf hingewiesen, dass dieser Widerstand einen wichtigen Teil der Fundamente des neuen deutschen Staates bildete.

Der notwendige Zusammenhang von christlichem Glauben und Weltverantwortung ist auch heute für unsere Zeit, für unser Denken, Reden und Handeln zu konkretisieren. Diese Aufgabe stellt uns das Erinnern an Dietrich Bonhoeffer.

"Zukunft will verantwortet sein" – in Verantwortung vor Gott und in der Nachfolge Jesu Christi, in Gemeinschaft mir unseren Zeitgenossen auf den Wegen der Gerechtigkeit, des Friedens und der Bewahrung der Schöpfung.

Dazu möge uns das Leben Dietrich Bonhoeffers anleiten und ermutigen!






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