Das Heldentum der Frauen

Hans Lukaschek
Das Heldentum der Frauen
Rede des Bundesministers Dr. Hans Lukaschek an die Tischgesellschaft nach der Denkmalsenthüllung am 19. Juli 1953, Berlin



Meine Damen und Herren, liebe Freunde vom 20. Juli!


Heute Morgen haben wir die erhebende Feier der Enthüllung des Denkmals für die Opfer des 20. Juli im Wehrmachtshauptquartier auf der Bendlerstraße miterlebt und stehen noch ganz unter dem Eindruck der Erinnerung an all das Schreckliche, was sich in diesem Hof zugetragen hat, und der Erinnerung an die gescheiterten Hoffnungen, die wir daran geknüpft haben. Wenn wir hier einer Einladung des Berliner Senats folgen, so haben wir alle Veranlassung, den Herren, die sich der Mühe der Organisation unterzogen haben, zu danken, so vor allem dem Herrn Regierenden Bürgermeister Reuter, dem Herrn Senator Bach, den Herren Mirbt, Erttel und Löffler. Wir wollen aber auch in Dankbarkeit der Hilfe der Herren Bundesminister Jakob Kaiser und Dr. Lehr gedenken.


Wir sind ganz erfüllt von dem Heldentum und dem Leidensweg, den die Opfer des 20. Juli gegangen sind, der Männer und der Frauen, die den Opfertod gestorben sind. Wir haben aber auch allen Grund, der Frauen zu gedenken, die an der Seite ihrer Männer den Weg mitgegangen, die nun in Trauer zurückgeblieben sind und das geistige Erbe ihrer Männer hüten. Dieses Heldentum der Frauen kann nicht genug hervorgehoben werden. Sie haben zum Teil nicht gewusst, welche Pläne ihre Männer hegten, denn diese Vorhaben mussten ja geheim gehalten werden. Freilich gab es dabei auch Ausnahmen und Frauen, die mitgearbeitet haben. So haben die beiden Gräfinnen, die Witwen von Helmuth von Moltke und von Peter Yorck von Wartenburg, sogar die Protokolle der Verhandlungen im Kreisauer Kreise geführt. Aber das ist es ja nicht allein. Die Frauen, die an unserer Seite gingen und nicht wussten, welchen Weg ihre Männer gingen, haben in den Jahren vor 1944 es zwar geahnt, welche schweren Sorgen auf unseren Helden vor dem 20. Juli lasteten und wie schwer der Seelenkampf in diesen Männern war, der ausgetragen werden musste, ehe man sich zu der Tat entschloss.


Und diese Frauen haben monatelang vor den Türen des Gefängnisses gestanden und haben gewartet. Sie standen in Eis und Schnee mit den sich vom Munde abgesparten Gaben, die ins Gefängnis hereingelassen wurden. Sie ließen jede harte Behandlung über sich bei diesem Warten ergehen und sie bangten vor dem Augenblick, wo ihnen das Paket, das sie ihrem Angehörigen bringen wollten, zurückgereicht wurde mit dem kurzen Wort, dass es zu spät sei, weil der Angehörige nicht mehr lebte, und dass sie gleichzeitig die hinterlassenen Gebrauchsgegenstände in Empfang nehmen konnten. Und es wurde ihnen nicht einmal die Asche des Verstorbenen zur Bestattung gelassen, sondern sie musste ja gemäß des Befehls Hitlers in alle Winde zerstreut werden. Kann sich jemand heute noch ausdenken, welches Heldentum die Frauen da bewiesen haben? Es ist manchmal größer gewesen als das Heldentum der Menschen, die es in der Tat beweisen konnten. Und wenn wir heute diese Frauen und Kinder sehen und bewundernd davorstehen, mit welcher Haltung diese Frauen das Leid tragen, wie sie das Erbe weitertragen, wie sie die Kinder im Geiste des 20. Juli erziehen, dann kann man nur vor Bewunderung und Ehrfurcht sich vor diesen Frauen neigen.


Das, was ich hier sage, musste einmal gesagt werden, und es muss gerade dieser Frauen und ihres Heldentums gedacht werden. Wir gedenken aber auch in Dankbarkeit der Helfer im Gefängnis, die in reinster Menschlichkeit uns das Leben im Kerker erleichtert haben. Hier weilt unter uns Theo Baensch, der zu vielen Jahren Zuchthaus verurteilt als Kalfaktor tätig war. Ihm sei Ehre und Dank. Auch den braven Bibelforschern, die ähnlich wie Theo Baensch und Zimmerlich wirkten. So wollen wir nicht nur heute an das Leid denken, sondern auch ein Stückchen Freude aufkommen lassen daran, was in den vergangenen neun Jahren an Leid überwunden worden ist.

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