Sie starben für eine große Sache

Gedenkstätte Deutscher Widerstand

Dr. Otto Lenz

Sie starben für eine große Sache.

Ansprache des Staatssekretärs im Bundeskanzleramt Dr. Otto Lenz am 19. Juli 1953 im Ehrenhof des Bendlerblocks in der Bendlerstraße, Berlin

Ich habe die Ehre, als Vertreter der Regierung der Bundesrepublik Deutschland Ihnen gegenüber zum Ausdruck zu bringen, dass sie sich in dieser Stunde mit Ihnen auf das Engste verbunden fühlt. Ich darf Ihnen auch das Telegramm verlesen, das Herr Bundesminister Kaiser, der leider heute nicht bei uns sein konnte, soeben gesandt hat:

„Ich bedauere, der Stunde des Gedenkens an die Männer und Frauen des 20. Juli nicht beiwohnen zu können. Doch mögen die in der Bendlerstraße Versammelten wissen, dass ich mich dem Freiheitswillen des 20. Juli und den Freunden, die ihr Leben opfern mussten, unlöslich und verpflichtend verbunden weiß. Der Wille des 20. Juli war der gleiche wie der des Juni-Aufstandes. Ich bin überzeugt, dass die von der Entschlossenheit und den Opfern dieser Tage ausgehende Kraft unser Volk bald und endgültig zur Freiheit und Einheit führen wird.

Jakob Kaiser“

Meine Freunde! Ich bin tief bewegt, dass es mir vergönnt ist, als Vertreter der Bundesregierung heute zu Ihnen zu sprechen. Neun Jahre sind es her, dass die Ereignisse hier in der Bendlerstraße und in ganz Deutschland abrollten. Bange Stunden waren es, als wir warteten, ob eine Entscheidung gefallen wäre, die es vielleicht noch ermöglicht hätte, zwar nicht mehr die Katastrophe, aber das Ausmaß der Katastrophe von Deutschland und dem deutschen Volk zu wenden. Als aber der Abend des 20. Juli herabsank, da war es klar, dass dieser Versuch gescheitert war. Ich erinnere mich noch gut, dass es ein strahlender Sommertag war, der am 21. Juli heraufzog. Aber dieser Sommertag, an dem die Rosen blühten, brachte Blut und Leid für Monate, er brachte grausamste Verfolgungen, und er brachte den Terror, der sich über diejenigen hinwegwälzte, die versucht hatten, alles zusammenzuraffen, um noch einmal unserem Volk in letzter Stunde helfen zu können.

Ich erinnere mich, wenn ich um mich herumschaue, all meiner Freunde, die mit mir zusammen zwischen Gefängnismauern saßen, sei es in der Albrechtstraße, sei es in der Lehrter Straße, sei es in Plötzensee, sei es in Brandenburg. Ich denke an all das Leid und all die menschlichen Tragödien, die sich zwischen Gefängnismauern abgespielt haben. Ich denke aber auch an den Heroismus und an den Heldenmut all derer, die mit uns zusammen waren. Unsere Reihen lichteten sich von Tag zu Tag; und viele, die hinausschritten, kamen nicht wieder. Als der Zusammenbruch uns die Tore zu einer traurigen Freiheit öffnete, da waren viele nicht mehr da; viele, die wir heute betrauern, derer wir heute gedenken und deren Nichtmehrvorhandensein ein schmerzlicher Verlust für unser Volk in dieser schweren Zeit ist. Und ich denke daran, dass diese Männer alles darangesetzt haben, um ein System der Tyrannei zu beseitigen, das Deutschland an den Rand des Abgrundes und der Welt unendliches Leid gebracht hat. Aber sie haben gekämpft unter Einsatz ihres Lebens, dass dieses System der Unfreiheit beseitigt werde, dass wir alle, die wir hier stehen, wieder einmal frei unser Haupt erheben können. Dafür haben sie ihr Leben hingegeben.

Es ist eine der furchtbarsten Hypotheken dieses Systems, gegen das sie gekämpft haben, dass heute noch 18 Millionen in der Sowjetzone ebenso um ihre Freiheit kämpfen müssen. Hätte dieser Tag, dessen Gedenken wir heute begehen, einen anderen Ausgang genommen, wäre es vielleicht möglich gewesen, auch das Geschick dieser 18 Millionen zu wenden, so dass sie heute nicht mehr um ihre Freiheit ringen und verzweifelt und traurig warten müssen, bis der Tag kommt, der sie mit uns wieder vereinigt.

Es bleibt uns nur übrig, den Angehörigen dieser Opfer des 20. Juli unsere aufrichtige Anteilnahme auszusprechen. Wir können ihren Schmerz nicht lindern, aber wir können mit ihnen ihre Toten ehren – die Toten, die gefallen sind für eine große Sache.







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